Schatten der Vergangenheit, Teil 3



 





Teil 3: „Schicksalhaftes Wiedersehen“

Draco sah Hermine geradewegs an.
Ihre Augen trafen sich zwar nur für den Bruchteil einer Sekunde, aber für sie schien es wie eine Ewigkeit.
Das Blau seiner Augen, sein ganzes Erscheinungsbild raubte ihr fast den Verstand.
Er war älter und seine Haare waren etwas dünner geworden - und zeigten ebenfalls stärker werdende Geheimratsecken - aber nichtsdestotrotz war aus ihrer ersten großen Liebe ein stattlicher Mann geworden.
Hermine betrachtete kurz Dracos Familie.
Seine Frau war etwas kleiner als er, nicht besonders hübsch und wenn sie das richtig einschätzen konnte, war sie eine stolze und vor allem sehr arrogante Frau.
Es schmerzte sie, diese Frau zu sehen. Seine Frau, die Haus und Bett mit ihm teilte; und sie spürte wie unbändige Eifersucht in ihr aufloderte.
Daneben und ebenfalls mit stolz erhobenem Haupt und so blond wie sein Vater: Scorpius, Dracos kleiner Sohn, der von nun an also mit ihrer Rose zur Schule gehen würde.
Hermines Magen verkrampfte sich.
Scorpius sah genauso aus wie sein Vater und das traf sie umso härter.
Schnell wandte sie den Blick ab und nahm noch aus den Augenwinkeln wahr, dass Draco kurz und kaum merklich nickte.

Mittlerweile war Hektik ausgebrochen.
Die Kinder verabschiedeten sich von ihren Eltern und stiegen hastig in den Zug.
Hermine sah Ron mit Rose reden.
Harry sprach, wie es ihr schien, noch ein paar beruhigende Worte zu Albus.
Kurz beteiligte sie sich an Rons Gespräch mit Rose und dann ging es auch schon los.
Sie fühlte sich nicht wohl.
Mit gemischten Gefühlen betrachtete sie den Zug, der langsam schneller wurde und dann ganz aus dem Sichtfeld verschwand.
„Hermine, ist Dir nicht gut?“ Harry stand vor ihr und sah sie besorgt an.
Erst jetzt bemerkte die Blondine, dass es ihr wirklich nicht gut ging. Ihr war schlecht.
Der Magen rumorte, ihr Kreislauf spielte verrückt und Hermine merkte wie ihr schwarz vor Augen wurde.

„Mrs. Weasley? Hallo, können Sie mich hören?“
Wie durch einen Schleier hörte Hermine die weibliche Stimme, konnte sie jedoch nicht zuordnen.
Ginny war es nicht, soviel war klar. Aber wer war es dann?
Langsam öffnete sie die Augen und sah die schemenhaften Umrisse von Menschen, die sich zu ihr heruntergebeugt hatten und sie besorgt betrachteten.
„Was? Wo bin ich? Was ist… Ron!“
Natürlich war Ron sofort zur Stelle, kniete sich neben seine Frau auf den Boden und strich ihr liebevoll die Haare aus dem Gesicht.
“Alles okay, Liebling. Ich bin hier. Du hattest einen Schwächeanfall.
Gott sei dank ist Mrs. Malfoy angehende Ärztin und hat sich um Dich gekümmert.“
´Mrs. Malfoy? Ärztin?´ Hermine, der noch immer nicht so recht bewusst war, was eben geschehen war, sah sich um.
Erst jetzt erkannte sie, dass Draco neben Harry und Ginny stand und sie ebenfalls anstarrte.
Neben ihr kniete die „arrogante, nicht besonders gut aussehende“ Lady - die sie einige Minuten zuvor noch voller Eifersucht betrachtet hatte - und sah sie besorgt an.
Hermine richtete sich auf und streckte Dracos Frau dankend ihre Hand entgegen.
“Vielen Dank, Mrs. Malfoy. Ich weiß auch nicht was los ist“, log Hermine, der die Situation mehr als unangenehm war.
Sie vermied so gut es ging den Blickkontakt mit der jungen Frau.
“Mir geht es wieder gut. War wahrscheinlich nur die Aufregung wegen Rose…“
„Sie sollten unbedingt ins Krankenhaus gehen und sich untersuchen lassen“, wandte Dracos Frau ein und beschwichtigte Ron mit einem nachdrücklichen Blick.
„Ist schon okay. Ich fühl mich prima, wirklich.“ Hermine überlegte krampfhaft wie sie aus der Situation wieder raus kam.
Sie wollte nicht hier sein und betüdelt werden. Wollte nicht, dass Draco sie so sah und anstarrte, während seine Frau die Heldin spielte.
Während Hermine noch immer überlegte wie sie die ungeliebte, wenn auch zugegebenermaßen nette, Frau abschütteln konnte, fing auch schon Ron an zu plappern.
“Ich schicke unsere Eule zu George. Er wird schon mal einen Tag ohne mich klar kommen.
Hugo bring ich zu Mom. Sie fühlt sich sehr einsam seit das Haus quasi leer ist und dann könnte ich Dich ins Krankenhaus bringen und…“
Ron wurde von einem zaghaften Räuspern unterbrochen. „Du musst Dir keine Umstände machen, Ron.
Wenn es Dir nichts ausmacht, bring ich Hermine zum Arzt.
Ich hab eh gleich einen Termin und mit Sicherheit wird Dr. Syrus Deine Frau noch mit dazwischen nehmen können.“
Hermine erstarrte.
Es war tatsächlich Draco gewesen, der das eben vorgeschlagen hatte und sie war sich ziemlich sicher, dass ihr Ehemann sofort etwas dagegen erwidern würde.
Nie im Leben würde er zulassen, dass Draco Malfoy sie… „Das würdest Du tun?“, fragte Ron ungläubig und Hermine konnte es nicht fassen.
Heute war wirklich nicht ihr Tag.
„Natürlich.“ Nun lächelte der Blonde zaghaft und sah beinahe verlegen aus.
Eine Seite an Draco, die sie noch nie kennengelernt hatte; aber sie gefiel ihr.
Dracos Frau war mittlerweile aufgestanden und sah ihren Mann fragend an. „Ihr kennt euch? Wieso hast Du mir das nicht gesagt?“
Der Blonde grinste erneut. „Wir sind sozusagen alte Schulfreunde. Wir haben uns nur mit den Jahren aus den Augen verloren.“
Ron sah aus, als würde er gleich einen ziemlich spöttischen Kommentar von sich geben. Doch ehe die Situation auch nur ansatzweise eskalieren konnte, meldete sich Harry zu Wort.
“Ja. Schulfreunde… kann man so nennen. Es ist wirklich nett von Dir, dass Du Hermine zum Arzt bringst. Du wirst doch gut auf sie aufpassen, nehm ich an?“
Hermine entging nicht der scharfe Unterton in Harrys Stimme.
Er war genauso überrascht und zugleich misstrauisch wie ihr Mann. Oder besser gesagt, wie jeder der Anwesenden - bis auf Dracos Frau, die aussah als freute sie sich sehr über die Bekanntschaft der „alten Schulfreunde“.
“Mist. Harry. Wir müssen los!“ Ginny hatte auf die Uhr gesehen und zerrte nun nervös an ihren Mann herum.
Harry sah ebenfalls auf seine Armbanduhr und meinte dann entschuldigend zu Hermine: „Tut mir leid, Mine. Wir müssen. Geh Du zum Arzt, ich melde Dich im Ministerium krank für heute.“
Hermine nickte kaum merklich, als sich ihre Schwägerin und Harry verabschiedeten und nahm nur halbwegs wahr, dass Dracos Frau soeben ihren Mann küsste, ihm etwas zuflüsterte und dann ebenfalls verschwand.
Ron wandte sich erneut seiner Frau zu. “Willst Du wirklich nicht, dass ich Dich bringe?
Ist es okay für Dich, wenn ich Dich mit Malfoy allein lasse?“
„Mommy? Wieso willst Du mit dem Mann da…“, Hugo zeigte geradewegs und schamlos auf Draco, während er beschloss seine Mutter auszufragen. „Wieso willst Du mit dem mitgehen? Papa hat gesagt, der ist böse!
Das ist doch der böse Mann, von dem Onkel Harry erzählt hat, nicht?“
Hermine wäre am liebsten im Erdboden versunken und sie sah Ron an, dass es ihm ähnlich ging, während sich Draco beschämt wegdrehte und tat, als habe er nichts gehört.
Hermine stand jetzt ebenfalls auf, Ron half ihr und nahm ihren kleinen Racker dann liebevoll auf den Arm.
“Pass auf, Hugo. Kinder können grausam sein. Sehr grausam.
Aber irgendwann werden wir alle erwachsen und ändern uns.
Wir hatten in der Schule einige Kinder, die nicht immer so… nett zu uns waren. Aber glaub mir, die sind nun alle erwachsen und Mr. Malfoy scheint doch nett zu sein oder?“
Hugo überlegte sichtlich. „J…jaaaa, schon: aber Daddy sagte…“ Hermine warf Ron einen bösen Seitenblick zu und wandte sich sogleich wieder an ihren Sohn.
“Schatz, egal was Daddy gesagt hat.
Ich vertraue ihm und Daddy scheint ihm auch zu trauen. Für ihn ist es okay wenn ich mitgehe.“
Hugo nickte nun, doch seinen skeptischen Blick behielt er bei.
Ron beugte sich nach vorne.
Sein Gesicht war ganz nah an dem seines Sohnes als er leise anfing mit ihm zu reden. „Selbst wenn Draco nicht nett ist. Du vergisst, dass deine Mommy eine exzellente Hexe ist.
Sollte er ihr irgendetwas tun wollen…“ Ron sah seinem Sohn nun direkt in die Augen und zwinkerte ihm zu, „…glaub mir: deine Mommy wird ihm schon den passenden Fluch auf den Hals hetzen!“
Hugo lachte und war sichtlich erleichtert.
Der skeptische Blick war aus seinem Gesicht verschwunden und fröhlich umarmte er seine Mutter, ehe er ihr einen dicken Schmatzer auf die Wange drückte und dann seine Arme seinem Vater entgegenstreckte.
Ron nahm Hugo auf den Arm, drückte ihn liebevoll an sich und ging dann abermals einen Schritt auf Hermine zu.
“Pass auf Dich auf und melde Dich, sobald Du fertig bist, okay?“
Hermine küsste ihren Mann innig und sah ihm dann fest in die Augen. „Du weißt, ich bin ein großes Mädchen und kann gut auf mich aufpassen.“
„Das weiß ich“, antwortete Ron und drehte sich um. „Danke, Draco. Ich weiß das… wirklich zu schätzen.“
Hermine sah, dass diese Worte ihrem Mann wahnsinnige Überwindung kosteten, aber in diesem Moment liebte sie ihn so sehr dafür.
Ihr schien, als ob auch Ron ein Stück weit erwachsen geworden war.
“Keine Ursache.“ Draco wurde erneut verlegen, doch er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.
Beklemmende Stille umgab die vier, bis Hugo schließlich hektisch an seinem Vater zerrte und ihm erklärte, dass er jetzt unbedingt und ganz schnell zu seiner Oma wolle, da die bestimmt schon leckere Sachen für ihn bereithalten würde.
Hermine grinste und deutete Ron an, dass es in Ordnung sei.
Ron winkte seiner Frau und wieder war es Draco, der kaum merklich nickte, als Ron auf der Stelle dissapierte und von einem Augenblick auf den nächsten verschwunden war.
Augenblicklich rumorte es erneut in Hermines Bauch und sie hoffte inständig, dass sie nicht noch einmal ohnmächtig würde - nicht bevor sie die Arztpraxis erreicht hatten.
Sie versuchte ihre Gedanken zu ordnen und hoffte inständig, dass Draco ihr nichts anmerkte.
Nervös zupfte sie an ihrem Kleid herum, strich es hier und da glatt und wurde schließlich von Draco unterbrochen.
„Hättest Du was dagegen, wenn wir laufen?
Der Termin ist erst in 20 Minuten und ich würde ganz gern… ich denke ein bisschen frische Luft tut Dir auch gut!“
Hermine schluckte.
Irgendetwas an Dracos Tonfall verriet ihr, dass das nicht der Grund war, weshalb er anscheinend darauf drängte, mit ihr allein zu sein.
Jedoch fühlte es sich auch nicht schlimm an; nun ja, jedenfalls nicht schlimmer, als es bisher schon für sie war.
Die Blonde hatte einen dicken Kloß im Hals, ihre Stimme versagte und deshalb nickte sie ihrem Ex nur kurz zu.
Draco streckte ihr seinen Arm entgegen. „Wollen wir?“
Hermine dachte keine Sekunde lang nach.
 Wie selbstverständlich trat sie nach vorne und hakte sich bei Malfoy ein….



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