Schatten der Vergangenheit, Teil 4


 




Teil 4: „Mittagessen in Paris“
Hermine und Draco schlenderten durch London.
Seit sie den Bahnhof verlassen hatten, hatten sie kaum zwei Sätze miteinander gewechselt, aber trotz allem fühlte es sich gut an.
Hermine genoss jede einzelne Sekunde am Arm des Blonden und strahlte mit der Herbstsonne um die Wette.
Ihretwegen hätte es noch Stunden dauern können, aber bereits nach 10 Minuten standen sie vor der Praxis von Dr. Syrus.
Draco löste sich von ihr, öffnete die große, hölzerne Eingangtür und hielt diese galant auf.
Hermine bedankte sich lächelnd und betrat das Gebäude. Draco folgte ihr.
An der Rezeption wechselte er kurz ein paar Worte mit der Sprechstundenhilfe, nickte Hermine zu und begleitete sie dann zum Sprechzimmer.
„Dr. Syrus wird gleich hier sein und Dich als erstes untersuchen“, sagte er knapp und drehte sich um, um das Zimmer zu verlassen.
„Möchtest Du, dass ich auf dich warte“, fragte Hermine zögernd.
Draco sah sie fragend an, zog die Stirn in Falten und nickte ihr dann zu. „Das wäre nett. Ich…“ Der Blonde grübelte sichtlich und Hermine wunderte sich, was wohl gerade in seinem Kopf vorging, als er auch schon fort fuhr.
„Ich würde gern mit Dir einen Kaffee trinken gehen, wenn Du damit einverstanden bist.“
Auf dem Weg in die Praxis hatten sich die Schmetterlinge in Hermines Bauch einigermaßen beruhigt; dieser eine Satz brachte sie wieder zum wilden Flattern.
Es war ein schönes Gefühl und selbstverständlich stimmte sie zu.
„Das ist schön. Bis später.“ Draco schenkte ihr das umwerfendste Lächeln, das sie je gesehen hatte, und verließ dann endgültig das Zimmer.

Eine Stunde später saßen Hermine und Draco in einem kleinen Cafe um die Ecke.
Während Draco sich einen großen, schwarzen Kaffee bestellte, wählte Hermine eine extra große Tasse Cappuccino Vanille mit Sahne.
Schweigend saßen sie sich gegenüber, bis Draco zögernd das Wort ergriff.
„Ich hoffe Du bist zufrieden mit der Wahl des Arztes.
Ich bin schon seit Jahren bei Dr. Syrus und ich finde, es gibt keinen besseren in ganz England… zumindest keinen besseren Muggelstämmigen.“
´Muggelstämmig?´ Hermine glaubte sich verhört zu haben.
Irgendwie war Draco anders.
Sie hatte ihn nie reduziert auf den blonden, bösartigen Sohn dieses grässlichen Voldemort-Anhängers Malfoy - zumindest nicht nach ihrer Schulzeit, denn es hatte sich im letzten Schuljahr und auch danach soviel geändert.
Aber die unbekannten Seiten an ihm, die Draco heute offenbarte, waren ihr nicht wirklich geheuer.
Nicht, dass sie es nicht zu schätzen wusste, dass er freundlich war und lächelte… aber ´Muggelstämmig´ - Draco hatte dieses Wort nie benutzt.
Für ihn war sie stets ‚das Schlammblut’ gewesen. So wie alle anderen, die keine Reinblütler waren wie die Malfoys seit Anbeginn…
„Dein Arzt ist ein Schlammblut“, fragte Hermine provokativ.
Draco starrte sie an, fasste sich jedoch genauso schnell wieder und grinste sie nun herausfordernd an.
„Dir ist schon aufgefallen, dass ich mich verändert habe, nicht wahr?!“
Hermine grinste zurück. „Ist nicht zu übersehen!“
„Es ist viel passiert. Ich…“ Draco nahm einen großen Schluck Kaffee und lenkte dann geschickt vom Thema ab. „Ist bei Dir alles in Ordnung? Hat der Doc festgestellt, weshalb Du ohnmächtig geworden bist?“
Hermine setzte ihre Tasse ab. „Nichts Genaues. Er hat nicht wirklich was gefunden.
War wohl einfach ein kleiner Schwächeanfall; ich hatte die letzten Monate viel um die Ohren. Aber Genaueres weiß ich erst, wenn die Ergebnisse der Blutproben da sind.“
Draco nickte verstehend.
„Soll ich Dich nach Hause begleiten?“
Hermine merkte wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
„Eigentlich dachte ich… Wir haben gleich Mittag und ich sterbe vor Hunger.
Wollen wir was essen gehen?“
„Du meinst wir beide? Zusammen?“
Hermine sah Malfoy erschrocken an. Jetzt war sie definitiv zu weit gegangen.
Mit Sicherheit hatte sie nicht aufdringlich sein wollen!
Aber die Gegenwart Dracos war so erfrischend; und sie genoss es einfach, ihn anzusehen, beim reden zu beobachten und in seinem Lächeln, das er erstaunlich oft zeigte, zu versinken.
Ihr war durchaus bewusst, dass sie geradewegs dabei war, sich erneut in ihn zu verlieben und dass sie mehr als „nur“ ihre Ehe aufs Spiel setzte, wenn sie das Ganze nicht sofort beendete.
Aber sie genoss es so wahnsinnig in seiner Nähe zu sein und dieses Gefühl noch mal erleben zu dürfen, das sie seit Jahren nicht mehr gehabt hatte.
Sie liebte Ron von ganzem Herzen und er sie auch, das wusste Hermine.
Aber ein bisschen schwärmen tat ja niemandem weh und das war genau das, was sie jetzt brauchte.
Durch Dracos schallendes Gelächter wurde sie aus ihren Gedanken gerissen und sie starrte ihn erneut an.
„Entschuldige“, sagte Draco prustend. „Du siehst aus, als hättest Du einen Geist gesehen.“
Hermine schlug verschämt die Augen nieder. „Es ist nur - es tut mir leid, ich wollte nicht aufdringlich sein und wenn ich Dich verärgert habe, möchte ich vielmals um Verzeihung bitten.“
Der Zauberer beugte sich nach vorne und sah der Blonden fest in die Augen. „Warst Du schon mal in Paris?“
“Was?“ Hermine kapierte rein gar nicht was die Frage nun sollte.
Als sie merkte, dass Draco ungeduldig auf eine Antwort wartete, schüttelte sie schnell mit dem Kopf. „Nein, noch nie.“
Draco grinste spitzbübisch, schob seinen Stuhl nach hinten und stand auf.
Galant ging er um den Tisch herum und fasste nach Hermines Hand - und sie umschloss sie begierig.
„Halt Dich fest, Minchen. Gleich sind wir im besten Restaurant, in dem ich je gegessen habe“, erklärte er, legte noch schnell einen Schein für ihre Getränke auf den Tisch und dissapparierte.
Es war stockfinster.
Und Kalt.
Hermine kniff die Augen zusammen, machte sie wieder auf – aber: nichts.
Kein einziger Lichtstrahl.
Es war einfach dunkel.
„Draco“, fragte sie nun leicht ängstlich.
„Keine Sorge. Gib mir eine Sekunde und ich bin wieder da“, antwortete dieser, öffnete eine Tür und lief eine Treppe hoch - zumindest wenn Hermine die Geräusche richtig deutete.
Kurzzeitig war dumpfes Stimmengewirr zu hören, dann ging eine Tür und jemand kam wieder die Treppe herunter.
„Mrs. Weasley?“ Eine zarte Frauenstimme rief unsicher in den Raum.
Kurz darauf wurde das Licht eingeschaltet und Hermine hob schützend ihren Arm, um sich gegen das gleißende Licht zu schützen.
„Ich bin hier“, antwortete sie unsicher und nahm langsam den Arm wieder herunter.
Der Raum, in dem sie sich befand, sah aus wie ein Keller. Aber keineswegs ein gewöhnlicher Keller, in dem man seine Waschmaschine, Werkzeug und seine alten Erinnerungsstücke aufbewahrte.
Er sah recht edel aus: mit vertäfelten Marmorwänden, einem goldenen Kronleuchter, recht teurem Mobiliar und einem Billardtisch an einem Ende des Raums, über dem einige teure Gemälde hingen.
Das hier war wohl eine Art… Hobbyzimmer?
Hatte Draco nicht gesagt, er bringe sie in ein Restaurant?
„Mrs. Weasley?“ Eine zierliche brünette Frau, Anfang zwanzig, kam um die Ecke und begrüßte sie freundlich.
„Guten Tag, mein Name ist Rosalie. Ich bin das Hausmädchen.“
Vor Hermine blieb sie stehen, machte einen Knicks und reichte ihr anschließend ein langes Kleidungsstück.
„Mr. Malfoy hat mich gebeten, Ihnen das hier zu bringen.
Er würde sich sehr freuen, wenn Sie sich umziehen und dann nach oben kommen. Das Essen ist in 20 Minuten fertig.“
Rosalie legte noch ein paar andere Sachen auf den braunen Ledersessel, der direkt vor Hermine stand, machte erneut einen Knicks und verließ den Raum wieder.
Hermine starrte auf den Sessel vor sich und dann auf das Kleidungsstück über ihrem Arm.
Langsam entfaltete sie es und erkannte, dass es ein Abendkleid war.
Es war lang und roséfarben, hatte einen perlenbesetzten Ausschnitt und sah einfach traumhaft aus.
Sie wusste zwar nicht, was das alles zu bedeuten hatte, aber Hermine überlegte nicht lange und begann sich auszuziehen.
Eine Viertelstunde später war sie fertig.
Auf dem Sessel hatte Rosalie einen Kulturbeutel abgelegt, indem Hermine einige Kosmetika vorgefunden hatte, sowie einen diamantbesetzten Armreif und dazu die passenden ovalförmigen Ohrringe, die nun zusammen mit der Blonden um die Wette funkelten.
Schnell warf sie noch mal einen prüfenden Blick in den Spiegel und machte sich dann auf den Weg zur Treppe.
Vor der Tür blieb sie einen Moment lang stehen, atmete tief durch und drückte schließlich, vorsichtig als könnte sie ihn zerbrechen, den Türknauf.

 


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