Schatten der Vergangenheit, Teil 1


 





Teil 1: „Erinnerungen…“

Hermine riss das Haarband von ihrem Kopf, bürstete ihre Haare und frisierte ihre Mähne nun schon zum x-ten Mal neu.
Sie war schrecklich nervös und konnte sich selbst nicht erklären wieso.
In einer halben Stunde würde sie Harry und Ginny am Gleis 9 ¾ treffen und ihre kleine Rose nach Hogwarts verabschieden.
 Sicherlich war dies ein großer Tag für sie, aber war das der Grund für ihre innere Unruhe?
Sie liebte ihre Tochter über alles und hatte sie bisher gehütet wie ihren Augapfel.
 Aber sie wusste auch, dass jetzt ein großer und vor allem schöner Abschnitt in Roses Leben beginnen würde.

Melancholisch dachte Hermine an ihre erste Zugfahrt nach Hogwarts zurück.
 Dachte daran, wie sie Neville Longbottoms Kröte gesucht hatte und dabei auf Harry und Ron gestoßen war.
Ein warmes Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, als sie weiter abdriftete - zu den Ereignissen ihres ersten Schuljahres.
Der Kampf gegen den Troll in der Schultoilette.
Die Rätsel, die sie zusammen mit Ron und Harry gelöst hatte, kurz bevor Harry das erste Mal auf den dunklen Lord getroffen war.
Wie Ron sie als langweilige Streberin bezeichnet hatte…
Nun lachte die mittlerweile Blondhaarige auf.
Nie hätte sie sich damals träumen lassen, dass sie und Ron einmal heiraten würden.
 NIE!

Sie dachte gerne an die Zeit zurück, selbst an die schlechten Tage und die verfeindeten Schulkameraden - wie Vincent Crabbe, Gregory Goyle, Draco Malfoy…
 Hermine stockte.
 „Draco.“ Kaum hörbar flüsterte sie seinen Namen, dachte kurz nach und betrachtete sich im Spiegel.
Wie konnte sie nur vergessen…?
 Ron hatte gestern beim Abendessen erwähnt, dass er Draco früher am Tag in der Winkelgasse hatte rumlaufen sehen - mit seiner Frau Astoria und seinem Sohn Scorpius, der ebenfalls dieses Jahr in Hogwarts eingeschult werden würde.
Er hatte ihn beobachtet, als er zusammen mit George im Scherzartikelladen aufgeräumt hatte.
War das der Grund?

Hermine erinnerte sich daran zurück… damals, im 5. Schuljahr. Auch dies hätte sie nie für möglich gehalten, sie und Draco waren ein Liebespaar gewesen und er war der allererste Mann in ihrem Leben. Der Erste mit dem sie geschlafen hatte…
Ron wusste bis heute nichts davon. Dank des Zaubertranks, den sie zusammen mit Professor McGonagall gebraut hatte, hatten er, Draco und Harry die Ereignisse von damals vergessen.
Sie bedauerlicherweise nicht. Das war der Nachteil des Trankes gewesen.
 “Alle Involvierten werden es vergessen, Miss Granger“, hatte die Professorin ihr gesagt. „Nur nicht derjenige, der den Trank herstellt!“ Und in dem Fall waren das sie und ihre Hauslehrerein gewesen.
Wieso musste sie jetzt daran denken? Wieso heute?
Sie war schon so lange mit Ron verheiratet - und glücklich. Er war ein liebender Ehemann und ein wundervoller Vater.
 Sie würde nie auch nur im Traum daran denken, ihre Ehe aufs Spiel zu setzen. Also warum…?

Da sie im Zaubereiministerium arbeitete, war es auch nicht zu vermeiden gewesen, dass sie nach ihrer Schulzeit Draco das ein oder andere Mal getroffen hatte.
Und nachdem sie vom Tod seines Vaters erfahren hatte, hatte sie ihm ihr tiefstes Beileid ausgesprochen.
Es war zwar nur ein kurzes und wie man sich denken konnte, nicht gerade herzliches Gespräch gewesen - und Hermine war sich ziemlich sicher, dass es Ron zur Weißglut gebracht hätte, hätte er davon erfahren.
Aber trotz all dem, was in der Schulzeit passiert war, trug sie Draco nichts nach und die Wogen hatten sich geglättet, nach den Ereignissen im Malfoy´schen Anwesen vor 19 Jahren.
Zumindest war es für Hermine so.
 Ron war sicher anderer Meinung, aber das war er ja schon immer gewesen. 
Wie dem auch sei.
 In all den Jahren hatte sie die Erinnerungen daran verdrängt, so als wäre es nie passiert. Sie hatte es einfach nie mehr zugelassen, dass es sie einholte - bis heute.
Ja, Hermine musste sich tatsächlich eingestehen, dass sie ein starkes Kribbeln in der Magengegend verspürte, wenn sie daran dachte, dass Sie Draco wahrscheinlich in weniger als 20 Minuten treffen würde.

„Hermine? Wo bleibst Du denn?“ Rons Stimme hallte durch das kleine Einfamilienhaus und die Blonde konnte sich bildlich vorstellen, wie Ron entnervt an der Haustür stand, den Autoschlüssel nervös zwischen Daumen und Zeigefinger drehte und die Augen verdrehte, während Rose und Hugo durch den Flur rasten und sich gegenseitig „Flüche“ auf den Hals hetzten.
Hermine war froh, dass sie noch nicht in der Lage waren, richtig zu zaubern. Denn wäre dies der Fall, wären ihre beiden Sonnenscheine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Dauergäste im St. Mungos.
„Ich komm gleich, Schatz“, rief Hermine zurück, kämmte noch einmal durch ihre Haare und entschloss sich dann, ihre lange Mähne heute offen zu tragen.
 Schnell trug sie noch hellrosa Lipgloss auf, nahm ihre Handtasche vom Stuhl, der vor ihrem Schminktisch stand, und schnappte sich im Hinausgehen ihren hell-beigen Mantel.
„Hier bin ich schon“, strahlte sie Ron entgegen, als sie endlich den Flur erreichte und blickte ihn mit einem verführerischen Augenaufschlag an.
Ron vergötterte seine wunderhübsche Frau, das sah man ihm wieder einmal deutlich an.
Zärtlich griff er nach ihr und zog sie an ihrer Taille zu sich.
„Ich bin der glücklichste Mann auf der ganzen Welt“, sagte Ron verträumt und küsste seine Frau voller Leidenschaft.
„Mooooommmy! Daaaadddy! Hört ihr bitte auf? Das ist erstens total widerlich und zweitens muss ich zum Bahnhof!
 Habt ihr vergessen, dass ich heute eingeschult werde?“ Rose bedachte ihre Eltern mit einem angewiderten Blick und verdrehte entnervt die Augen. 
Ron wandte sich von Hermine ab und sah lachend in das kleine, hübsche Gesicht seiner Tochter.
 Dann zu seinem Sohn, der gerade damit beschäftigt war, Hermines Katze Graupfote am Schwanz zu ziehen, um dann lachend vor ihr davon zu rennen und blickte dann erneut zu Hermine.
Er seufzte glücklich und küsste sie erneut. „Ich bin der glücklichste Mann auf der ganzen Welt.“

Hermine war noch immer unruhig.
Diesmal konnte sie diese Unruhe aber wenigstens zuordnen.
Ihnen blieben weniger als 15 Minuten bis sie am Bahnhof sein mussten und Ron, der seinen Führerschein noch nicht lange hatte, fuhr als seien die Dementoren höchstpersönlich hinter ihnen her - was ihr am meisten Sorgen bereitete.
Die Fahrt kam ihr wie eine halbe Ewigkeit vor, doch als Ron endlich vor dem Bahnhof parkte und Hermine seufzend auf die Uhr sah, stellte sie fest, dass gerade mal 10 Minuten vergangen waren seit ihrer Abfahrt von Zuhause.
„Mine, geht´s Dir nicht gut?“ Ron sah seine Frau, die leichenblass auf dem Beifahrersitz saß, besorgt an. Doch die schüttelte nur den Kopf.
„Alles bestens, Ronald.“ Hermine dachte kurz nach. „Würde es Dir was ausmachen, wenn ich auf der Heimfahrt das Steuer übernehme?“
Ron bedachte sie mit seinem typischen wieso-das-denn?-Hab-ich-was-nicht-mitgekriegt-Blick und grübelte noch immer, als Hermine aus dem Wagen stieg, ihren Kindern die Türen öffnete und sich dann zum Kofferraum begab, um Roses Gepäck herauszuholen.



- Weiter -