Save Dean, Teil 4


 





Ein schriller Laut erfüllte den Raum.
Lorne hatte eben das Büro betreten und starrte schreiend und mit blassgrünem Teint auf den am Boden, auf Gunn einprügelnden Sam.
Angel eilte zu den beiden.
Er versuchte den jungen Winchester von seinem Freund und Kollege runter zu ziehen, welcher immer und immer wieder auf ihn einschlug.
„Nun hör doch auf“, schrie Groo und eilte Angel zu Hilfe.
Zusammen zogen sie den vor Wut rasenden Sam von dem bewusstlosen Charles.
Spike zog seine rechte Augenbraue nach oben, lehnte sich zurück und holte eine Zigarette aus seiner Tasche. Er zündete sie an und meinte: „Sieht aus als müssten die Sanis noch mal anrücken!“
Er nahm einen kräftigen Zug, inhalierte tief und ging zum Telefon.
„Harm, wir brauchen...“ Doch als Harmony seine Stimme erkannte, knallte sie den Hörer wutentbrannt auf.
„Äähm, Leute!“ Spike blickte verdutzt in die Runde. „Könntet ihr... Die hat wohl ihre Tage!“

Angel saß allein in seinem Appartement. Er war total mit den Nerven runter, denn der heutige Tag hatte es echt in sich gehabt.
Spike und Lorne waren im Krankenhaus bei Charles geblieben und er hatte noch mal nach Fred gesehen, bevor er nach Hause gefahren war.
Wie sehr vermisste er jetzt Cordelia. Sie hätte bestimmt ein paar aufmunternde Worte für ihn gehabt.
‚Cordy’. Da fiel ihm ein, dass Groo ja noch irgendwo im W&H Gebäude herumgeistern musste.
In der ganzen Aufregung hatte er ihn total vergessen - ebenso wie den jungen Winchester.
„Verdammt“, sagte er laut, rappelte sich auf und beschloss noch mal ins Büro zu fahren, auch wenn er lieber hier geblieben wäre, um zu grübeln.

„Ich werde ihn töten, sollte er mir noch einmal über den Weg laufen!“ Sam saß an der Wolfram & Hart´schen hauseigener Bar und kippte mit einem Zug den Whiskey runter, dem ihm die Bedienung eben hingestellt hatte.
Er wusste nicht, wie viel er schon intus hatte, aber sein Kopf dröhnte und der Hass auf Gunn wurde von Drink zu Drink stärker.
„Das ist keine Lösung“, sagte Groo mit seinem bekannt naiven Gesichtsausdruck und suchte nun nach den richtigen Worten, um ihm Trost zu spenden; während Wes, der die beiden hergebracht hatte, vor sich hinstarrte.
Eigentlich hatte er nur kurz einige Unterlagen holen wollen, um weiter forschen zu können, und hatte dann zurück zu Fred gewollt - aber da hatten ihm die zwei einen gewaltigen Strich durch die Rechnung gemacht.
Die Ärzte hatten Gunn abgeholt und so ziemlich alle vom Team befanden sich nun im Krankenhaus.
Sam hatte wütend alles mögliche Mobiliar geschreddert, während Groo versucht hatte ihn zu beruhigen – erfolglos.
Wes verstand sehr gut was in Sam vorging.
Er fühlte ebenso wegen Fred – wenn auch auf andere Art und Weise – und hätte für sie sogar seinen eigenen Vater getötet.
Hätte es, wie von Knox geplant, sie und nicht Dean erwischt, dann...
Charles würde definitiv nicht im Krankenhaus liegen, sondern an einem Ort an dem es wesentlich kälter war und an dem ein kleiner Zettel seine große Zehe schmücken würde.
´Irrer Tag´, dachte sich Wesley und nippte an seinem Martini. Eigentlich trank er als guterzogener Brite ja keinen Alkohol, aber heute war ihm irgendwie danach.
Was sollte er nun tun? Zu gern würde er zurück ins Krankenhaus gehen zu seiner geliebten Fred, aber er ahnte, dass es schlimme Ausmaße annehmen konnte, wenn er Groo mit Sam alleine ließ, zumal ihm Groo so hilflos vorkam.
Sicher, er war ein großartiger Krieger, hatte sich weiter entwickelt und war reifer geworden, doch er besaß noch immer diesen kindlich-naiven Charme.
Er fragte sich, warum er überhaupt hergekommen war.
„Oh, natürlich… Ich bin gekommen um meine Prinzessin... ich meine, Cordelia, zu sehen.“
„Was?“ Verwirrung stand Wes ins Gesicht geschrieben. Hatte er die Frage laut gestellt? Er konnte sich nicht daran erinnern…
„Du wolltest wissen warum ich hier bin.“ Groo strahlte ihn an, als hätte er einen 6er im Lotto.
„Aber wie...?“
„Es ist soviel passiert, seit ich gegangen bin, Wesley. Ich hab nun gewisse Fähigkeiten und…“ Stolz schwellte er die Brust: “So etwas, das man wohl einen Job nennt - in gewisser Weise.“
„Und deine Kleidung??“
„Hey, ich bin schließlich UNDERCOVER hier“ und wieder strahlte Groo mit diesem Lächeln, wie nur er es konnte.
„Undercover? Biss´ Du n Cop“, lallte ihm Sam entgegen.
Groo dachte kurz darüber nach. „Sagen wir mal, eher eine Art Beschützer.“
„Du bist ein Bodyguard? Und da bekommt man solche Kräfte verliehen bei der Ausbildung?“
Doch noch ehe Groo auf Wesleys Spekulationen eingehen konnte, bekamen sie die Antwort von einer ihnen sehr vertrauten Stimme.
Angel stand grimmig dreinblickend einige Meter von ihnen entfernt: „´Guard´ trifft es schon ganz gut. Groo ist der Wächter des Tiefenborn.“

Illyria irrte durch die Flure.
Das W&H Gebäude war riesengroß. Er wusste zwar, dass er hierher kommen musste, denn er spürte die Schwingungen, aber wo genau es war, konnte er nicht bestimmen.
Illyria hielt kurz inne, senkte seinen Kopf und atmete tief durch.
Einen Augenblick später verzog er angewidert das Gesicht, öffnete schlagartig wieder seine Augen und lief geradewegs auf die Tür zu, die zum Keller führte.
An der zweiten Tür von links hielt er erneut an, vollführte eine schnelle Handbewegung und brachte somit die Panzertür zum brechen.
„Komm mit, Lakai“, rief Illyria Knox zu und machte auf der Stelle kehrt.

Auf dem Weg zum Labor waren Knox und Illyria stillschweigend nebenher gelaufen, wobei es Knox schwer fiel Schritt zu halten.
Dean war zwar nicht der Wirt, den er sich gewünscht hatte, aber trotzdem musste er sich eingestehen, dass seinem geliebten Herren diese Hülle außerordentlich gut stand – so groß, stark und leicht muskulös…
„Stell Dich da hin“, forderte Illyria ihn auf, als sie angekommen waren.
Ehrfürchtig tat er wie ihm aufgetragen, als sich Illyria neben seinem Sarkophag aufstellte und anfing, sich seiner Kleider zu entledigen.
Als er das getan hatte, legte er eine Hand auf den großen blauen Stein in der Mitte des Sargs und staunend konnte Knox nun beobachten wie sich eine Art Panzer auf Illyrias Körper bildete und weiter empor stieg, bis er vollständig damit bedeckt war.
„Bring mich zum Hyperion!“
„Zum Hyperion? Der ehemaligen Zentrale dieser Würmer?“
„Würmer?“ Illyria verstand nicht, aber er war sehr erbost, wie sein Lakai es wagen konnte ihn anzusprechen, ohne vorher dazu aufgefordert worden zu sein; und der Ton in seiner Stimme missfiel ihm ebenfalls.
„Für einen Diener bist Du ziemlich vorlaut.“
„A… Ab... Aber...“ Knox stotterte perplex.
„Schweig!!“ Illyria funkelte ihn böse an. „Noch ein Wort und ich mache Dich zu einem Nichts. Du solltest dankbar sein und meine Füße küssen, dass ich Dir einen Teil meiner wertvollen Kräfte überlassen habe!“
„Also eigentlich hab ich...“ Knox zog sein Hemd hoch und zeigte auf etwas, das unter seiner Brust implantiert war. „Ich hab mich den Prüfungen unterzogen. Zur Feststellung ob ich Deiner würdig bin. Ich habe ehrenvoll bestanden und als Beweis trage ich Dein Zeichen - ganz nah an meinem Herzen!“
Illyrias Wut war unermesslich.
Er schnellte nach vorne, umfasste das Implantat an der Brust mit festem Griff und zog leicht daran um diesem unterwürfigen Nichts zu zeigen wer hier das Sagen hat. “Ohne mich hättest Du diese Prüfungen nie erlebt. Würdig?“ Illyria betrachtete ihn abwertend und riss unsanft an seiner Brust.
„Würdig ist MIR niemand!“
Er ließ Knox ruckartig los, so dass dieser taumelnd zu Boden fiel.
„Es ist meine Kraft und ich kann sie jederzeit zurückholen!“
Knox fühlte sich klein. Erniedrigt und erdrückt – wie eine Made unter dem Schuh eines 200-Kilo-Mannes.
„Natürlich ehrwürdiger Gebieter. Alles, was ihr sagt!“

„Du willst Cordelia sehen, hmmm?“ Angels Augen funkelten zornig. Eine Sekunde später hatte er sein Vampirgesicht aufgesetzt und stürzte sich auf Groo.
Hart umschloss er seinen Hals und drückte ihn gegen die Theke.
„Ang…“, das war alles, was dieser noch gurgelnd hervorbringen konnte.
„Du bist der Wächter des Tiefenborn und weißt nicht, dass Sie tot ist? Und ‚zufälligerweise’ tauchst Du gerade dann auf, wenn ein Sarkophag, der in deiner Obhut stand, hier bei uns landet und Chaos anrichtet?“ Angel schnaubte verächtlich.
„Was hast Du mit dem letzten Wächter gemacht? Wo ist Drogyn?“
„Er hat den Sarg hergebracht?“ Sam blickte leicht dusselig und stand auf, um es Angel gleich zu tun. Doch er taumelte.
Wes konnte ihn gerade noch auffangen und setzte ihn wieder auf seinen Barhocker.
„Lass mich los!“ schrie Sam, doch Wes dachte nicht daran. Er wollte nicht noch einen Freund im Krankenhaus abliefern müssen.
„Nennt mich Harmoniesüchtig, aber: MUSS DAS SEIN?“ Lorne kam hinter Angel zu stehen und umfasste sein Handgelenk.
„Lass ihn doch erstmal zu Wort kommen, Engelchen. Danach kannst Du ihn immer noch erwürgen.“
„Oder er ihn“, warf Spike hämisch grinsend ein.
Die zwei waren eben aus dem Krankenhaus gekommen und hatten beschlossen zusammen in Ruhe einen trinken zu gehen.
Na ja, von Ruhe konnte hier wohl kaum die Rede sein.
Widerwillig ließ Angel los und nahm wieder seine menschliche Gestalt an.
Groo hechelte und fasste sich nach Luft ringend an den Hals.
„Hier.“ Wes reichte ihm ein Glas Wasser, während er mit der anderen Hand noch immer krampfhaft bemüht Sam zurückhielt.
„Rehäugchen, wer wird denn hier den wilden Mann markieren?“ Lorne schlenderte auf Sam zu und legte seinen Arm auf dessen Schulter.
„Lass uns was trinken. Ich lad Dich ein.“

Nachdem alle erstmal ihren Frust weggespült hatten – Spike, weil er zu gern gesehen hätte, wie Angel ordentlich gewürgt würde - waren sie ins Winchester’sche Penthouse gefahren. Wes und Angel in dessen Porsche und der Rest in Sams und Deans Chevrolet Impala.
Angel hatte es für sinnvoll gehalten, dass sie dieses Thema nicht in der Kanzlei besprechen sollten, denn die Seniorpartner hatten ihre Ohren überall.
Dort angekommen verteilten sie sich auf die Sitzgelegenheiten des großzügig ausgestatteten Wohnraumes.
Angel war nervös und wollte Erklärungen.
Groo fühlte seine Angespanntheit und hörte seine fordernden Gedanken, also fing er an zu erzählen…
Nach seiner Abreise aus dem Hyperion, als er sich hatte eingestehen müssen, dass Cordys Herz Angel gehörte, war er umhergereist.
Er hatte viel erlebt und eine Menge von der Welt gesehen, bis er eines Tages vor diesem Baum gelandet war.
Drogyn hatte ihn erst bekämpft und dann zu gern seine Gesellschaft in Anspruch genommen, denn er war schon viele Jahre hier - einsam und allein.
Nach und nach hatte Groo die Regeln erlernt und da auch ein Wächter irgendwann mal eine Pause braucht, hatte Drogyn ihn zu seinem Nachfolger ernannt. Wenn dieser jedoch Hilfe oder Gesellschaft brauchte, so war er stets an seiner Seite – was auch sehr hilfreich war, da Groo’s Fähigkeiten noch nicht ganz ausgereift waren.
„Meine Liebe zu Cordelia ist nie erloschen und meine Sehnsucht brannte tief in meinem Herzen!“ Groo’s Augen glänzten. Die Nachricht von Cordys Tod hatte in zutiefst getroffen und der Schmerz ließ ihn fast verrückt werden.
„Ich hab Drogyn gebeten auf den Tiefenborn aufzupassen, bis ich wieder da bin.“
„Woher wusstest Du wo wir sind?“ wollte Angel wissen, denn bei seinem letzten Besuch waren sie ja noch im Hyperion gewesen.
„Diese nette Dame hat es mir verraten.“
„Welche Dame?“
„Edel gekleidet, stilvoll. Braune lange Mähne und eine sehr wortgewandte Zunge.“ Groo schien beeindruckt, doch Angel war das jetzt erstmal egal. Etwas anderes beschäftigte ihn mehr.
„Was ist mit dem Sarkophag, Groo?“
„Welcher Sarkophag? Ich hab mich vorhin schon gefragt was Du meinst.“
„Keine Ausflüchte. Du musst es wissen! Schließlich war es deine Aufgabe ihn zu bewachen. Also, wieso zum Teufel bist du total ahnungslos - oder tust zumindest so - während Illyria ‚entkommen’ konnte?“
„Illyria?“ Groo war entsetzt, beinahe panisch. „Seid ihr sicher?“
„Natürlich“, sagte Sam, der beim Betreten des Penthouses, in dem sein Bruder gestorben war, schlagartig wieder nüchtern geworden war.
„Dieser Mistkerl hat sich den Körper meines Bruders gekrallt, hat mich niedergeschlagen und ist dann abgehauen. Dafür wird er büßen!“
Pure Angst stand Groo ins Gesicht geschrieben: “Illyrias Seele ist bereits in einem Wirt?“
Beschämt blickte er zu Sam.
„Seele? Es ist nur die Seele?“ Angel schien hocherfreut.
„Ja seine Seele wurde im Sarkophag begraben. Weit unten im Tiefenborn. Das ist die übliche Verfahrensweise.“
„Was ist denn, Angel?“ Sam verstand gerade gar nichts. Schließlich bekämpfte er sonst nur Dämonen, Vampire und dergleichen und setzte sich nicht auch noch mit deren Seelen auseinander!
Angel sprang auf und hielt seine ausgestreckte Hand Lorne entgegen: “Gib mir dein Handy. Ich muss Giles anrufen!“

Illyria und Knox standen vor dem Eingang des Hyperion.
Jasminduft umhüllte sie.
„Da wären wir, oh Hochwürdiger“, schmachtete Knox.
Illyria legte den Kopf schief: “Hier soll es sein?“
„Was sucht ihr Gebieter?“
„Meine Herrscherstätte. Meine Untertanen.“
Jetzt kapierte Knox und war erstaunt: „Ja! Ja, hier war sie. Früher - vor eurem Ableben, aber woher...“
Illyria blickte ihn scharf an: „Du bist nicht der Einzige, der begehrt.“
Er ließ Knox stehen und betrat das Entree.
Eine dunkelhaarige, schlanke Frau stand in der Mitte des Hotels.
Das Siegel, welches Angel einst genutzt hatte um Connor ausfindig zu machen, war aufgefrischt worden.
Okkulte Gegenstände befanden sich drum herum, kreisförmig ausgerichtet.
Die Frau blies silbrig glänzenden Staub über dieses Mal, hielt ihre Hand darüber und schnitt sich tief mit einem Messer in die Handfläche und ließ ihr Blut darüber fließen.
Der Staub wirbelte umher und ein Portal wurde geöffnet, während sie zu Illyria sprach: „Es ist alles bereit, mein Herrscher.“
Knox blieb vor Erstaunen der Mund weit offen stehen, während sich die Frau umwandte und Illyria anstrahlte; „Gestatten? Lilah Morgan. Deine unterwürfigste Verehrerin!“

 


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