Love me for a Season, Teil 2


 





 „Meeting Mr. Sexy“
Noch bevor ich hierher gezogen war, hatten Annie und ich gescherzt, dass meine neue Heimat glatt einem Jane Austen Roman entsprungen sein könnte, so hübsch und idyllisch wie es hier aussah. Das Einzige, was mir nun noch fehlte, war mein persönlicher „Mr. Darcy“… den traf ich schneller, als mir lieb war.

Einen Tag nach unserem Familienausflug, bei dem wir auch endlich unser Langersehntes Familienbild bekommen hatten, wachte ich super gelaunt auf…
… Bis zu dem Zeitpunkt, als mir Simon die Bilder und das Video vom vorherigen Tag zeigte.
Mir stockte der Atem.
Ich wusste ja selbst, dass ich Probleme mit meiner Figur hatte, seit ich Samuel Dean geboren hatte, aber das, was mir da in meinem Fernseher entgegen grinste, konnte unmöglich ICH sein!!
Ich rieb meine Augen, guckte noch mal, rieb erneut die Augen und war einem Heulkrampf nahe.
Meine Laune fiel rapide ab und fortan war ich alles andere als umgänglich. Grummelnd verzog ich mich in die Küche, um den Abwasch zu erledigen, sauste durch die Wohnung, um den Saustall meiner Kinder zu beseitigen und packte dann meine Wäsche, die ich unten im Hof aufhängen wollte.
Etwas, was vor Monaten noch undenkbar gewesen wäre, aber mittlerweile liebte ich es, die Wohnung zu verlassen und einfach draußen in der freien Natur „abzuhängen“ und sei es nur die paar Minuten um meine Wäsche aufzuhängen, die super schnell trocknete und danach prima duftete.

Prüfend besah ich mich im Spiegel und das, was ich dort sah, gefiel mir gar nicht. Mein Gesicht wirkte aufgedunsen, dunkle Ränder machten sich unter meinen Augen breit, die Haare fielen mir strähnig ins Gesicht, da ich heute noch nicht zum duschen gekommen war und die Kleiderwahl war auch nicht die Beste. Ich mein, wer trägt schon freiwillig weinrote Jogginghosen zu einem knallroten T-Shirt? Anders ging es aber nicht.
Die Wäsche war eben erst fertig geworden, Haushalt und Kinder hatten einfach Vorrang und wer sollte mich schon großartig sehen?
Meine Mutter pflegte zu sagen, „Ach, egal wie ich jetzt aussehe, heute heiratet mich eh keiner mehr!“ - und sie hatte Recht.
Simon liebte mich wie ich war, das beteuerte er gerade eben zum wiederholten Male, um meine Laune – erfolglos - zu steigern, aber trotzdem…
Andererseits stimmte es. Wir waren glücklich, meine Kinder versorgt, meine Wohnung glänzte und die paar Nachbarn, die ich hier hatte, waren es nicht wert, sich für die aufzubrezeln, zumal ich ja sowieso in einer Beziehung steckte.
Also schob ich meine Bedenken fort, packte den Wäschekorb, die Wäscheklammern und stiefelte, wieder halbwegs gutgelaunt, die Treppe runter.

Im Erdgeschoss angekommen, blieb ich erstaunt stehen. Normalerweise traf mich hier fast der Schlag vor lauter Mief, den mein Nachbar fabrizierte.
Der gute Mann war etwas eigen und mein britischer Nachbar ließ keine Gelegenheit aus, um ihn schlecht zu machen, aber mir gegenüber war er immer nett und hilfsbereit. Jedoch war der Gestank seiner Wohnung, den seine vielen Tiere verursachten, wirklich kaum erträglich.
Heute jedoch roch es so wahnsinnig gut, dass ich wie angewurzelt stehen blieb, die Augen schloss und den frischen Duft nach Duschgel und After Shave geradezu gierig inhalierte.
Es musste aus der bisher Leerstehenden Wohnung kommen.
Simon hatte mir erzählt, dass vor einigen Tagen unser Vermieter da gewesen sei, mit dem neuen potenziellen Nachmieter, welcher ein Polizist sein sollte.
Allein der Gedanke gruselte mich. Ich hatte in der Vergangenheit schon mehr als genug mit Polizisten zu tun gehabt, seltener weil ich in irgendwelche kriminellen Delikte verwickelt gewesen war, sondern eher durch meine Ex Idioten und meine Mom, deren Leben auch ziemlich aus der Bahn geraten war, nach der Scheidung meiner Eltern; aber trotzdem behagte mir der Gedanke nicht, einen Gesetzeshüter im Haus wohnen zu haben.
Was ich dem Herrn in grün allerdings zugute halten musste: er hatte einen ausgezeichneten Geschmack in der Auswahl seiner Pflegeprodukte.
Ich selbst lege nun mal viel wert auf Hygiene und gerade bei Männern finde ich es nach wie vor unwiderstehlich, wenn sie gut riechen.
Das konnte ich in dem Fall nicht leugnen, denn der Herr Wachtmeister, der anscheinend gerade dabei war, seine Wohnung herzurichten, duftete himmlisch!

Gedankenverloren lief ich weiter. Draußen angekommen machte ich mich daran, meine Wäsche fein säuberlich und nach Kleidungsart geordnet auf die Leinen zu hängen, während meine Kinder von oben aus immer mal wieder „Mama“ riefen und mir zuwinkten.

Als ich fast fertig war, erweckte etwas meine Neugier. Ich kann noch immer nicht beschreiben was es war, da es wirklich ziemlich still hier draußen war und ich keine Türe ins Schloss fallen gehört hatte oder ähnliches, aber irgendetwas war es, was mir sagte, ich solle mich umdrehen.

Ich tat es.

Umgehend.

Da stand er vor mir. Mein neuer Nachbar. Der Polizist. Der Mann, auf den ich so gar keine Lust hatte, dass er mein Nachbar sein würde - und er sah umwerfend gut aus.

Er war etwa so groß wie ich, hatte dunkle, kurze Haare, fröhliche braune Augen, war kräftig und gut gebaut und hatte das wahrscheinlich umwerfendste Lächeln, das es auf der ganzen weiten Welt zu bestaunen gab.

Ich war hin- und her gerissen und noch ehe ich sein bezauberndes „Hallo“ erwidern konnte, das er mit der sanftesten und schönsten männlichen Stimme sprach, die meine Ohren je gehört hatten, ergriff mich Panik.

Hektisch erinnerte ich mich daran, wie scheußlich ich heute aussah und wie unförmig ich auf dem gestrigen Video gewirkt hatte. Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken und gleich darauf gestorben.

Noch nie hatte ich mich dermaßen meiner selbst geschämt!

Wie ein Teenager senkte ich leicht errötend den Kopf, hauchte ein schmachtendes „Hallo“ und widmete mich wieder eiligst meiner Wäsche, ohne ihn auch nur eine Sekunde lang aus den Augen zu lassen.

Galant lief er über den Hof, zu seinem absolut traumhaft schönen Auto, was sich jemand wie ich wahrscheinlich nicht mal nach 20 Jahren eisernem Sparen hätte leisten können, und setzte seinen reizenden, wohlgeformten Hintern - den ich ebenfalls ausgiebig begutachtet hatte - hinters Lenkrad, wo er mir zum Abschied noch mal zuwinkte.


Mir wurde schwindelig. So sehr ich mich auch fühlte wie in einem Schundroman und so sehr es sich nun, da ich in diesen Erinnerungen schwelge, lächerlich anfühlt, es hatte sich tatsächlich so begeben.

Ich weiß nach wie vor nicht, was es war, was diesen Mann so anziehend für mich machte, aber ich schwebte auf rosa Wolken und drängte geradezu darauf, dass der Herr Polizist endlich richtig einzog, mein Nachbar wurde und ich ihm so täglich begegnen konnte.


Beschwingt lief ich wieder zurück in meine Wohnung und war nun ganz erpicht darauf, Simon wegen des neuen Mieters auszufragen.

„Du Schätzchen, sag mal...“, fing ich zögernd an und hoffte, dass er mir nichts anmerkte. „Dieser neue Mieter unten, im Erdgeschoss, hat der kurze, dunkle Haare?“

Simon sah mich verwundert an. „Ja, warum fragst Du?“

Ich wurde verlegen, fasste mich jedoch zügig und antwortete ihm, „Ich glaub, ich hab ihn grad getroffen, als ich Wäsche aufgehängt hab.“

Mein Liebster nickte. „Hmm, kann sein. Wie ich mitbekommen hab, hat er jetzt Urlaub und will renovieren. War er etwa so groß wie Du und stämmig?“

´Stämmig´? Himmel, was verstand Simon unter stämmig? Dieser kleine Adonis war alles andere als stämmig! Er war gut gebaut, muskulös - wenn mein Holder das als stämmig bezeichnete, ja dann war er das wohl.

Ich nickte.

„Ja, wird er wohl gewesen sein“

Mein Magen fuhr Achterbahn und ich jubelte. Das  war also tatsächlich mein neuer Nachbar. Ich hatte so ein Glück.

Ich konnte es kaum abwarten, bis er endlich hier einzog. Es fand sich sicher die eine oder andere Gelegenheit, ihn mal anzuquatschen.


Die nächsten Tage verbrachte ich größtenteils draußen in der Sonne.

Eigentlich hasse ich diese Jahreszeit, hasse die Sonne, die Wärme, aber ich war wie ausgewechselt und konnte es morgens gar nicht abwarten, bis meine Kinder endlich gefrühstückt hatten und wir uns dran machten, unseren Hausmeistertätigkeiten nachzukommen.

Die Arbeit war besch…eiden. Ich tat jetzt Tag für Tag das, wofür ich meine ehemalige Vermieterin verspottet hatte, aber irgendwie machte es auch Spaß.

Meinen hübschen Nachbar bekam ich allerdings nie zu Gesicht und jeden Tag aufs Neue ging ich grummelnd zurück in die Wohnung, als es Zeit wurde das Abendessen zuzubereiten.

Am 3.Tag Schufterei lief mir dann der Postbote über den Weg. Freudestrahlend überreicht er mir ein Päckchen, das an einen „Jaden Kingsley“ adressiert war.

„Erm, das ist nicht für mich!?“, klang meine fragende Antwort. Der Postbote ließ entnervt die Schultern sinken und sah mich wehklagend an.

„Ihre Nachbarn sagten, das sei ihr Mann!“

Ich lachte laut auf. „Nein. Das ist ein Irrtum. Wir sind erst hergezogen und die Namen klingen ähnlich. Na ja, zumindest fangen beide mit einem K an. Die Nachbarn wissen es nicht besser.“

Kurz überlegte ich, bevor ich fortfuhr, „Es könnte sein, dass das für meinen neuen Nachbar ist, der demnächst hier einzieht. Moment.“

Mit großen Schritten eilte ich zur Haustür und sah nach. Jackpot.

Mein neuer Schwarm hatte bereits seinen Namen an der Klingel angebracht.

Ich winkte dem Postboten zu, „Ist okay, ich nehme das Päckchen entgegen.“

Erleichtert nickte er mir freundlich zu und lief dann eiligst weiter. Ich war selig.

Fast liebevoll strich ich über das kleine Päckchen, das seinen Namen aufgeklebt hatte und sprach seinen Namen immer wieder leise aus. „Jaden Kingsley, Jaden Kingsley. Marie und Jaden Kingsley…“

Ich kicherte. Ja, der Nachname stand mir ausgezeichnet.

Beschwingt eilte ich die Treppen nach oben. Ich wollte es nicht beschädigen.

Was sollte Jaden, wie ich ihn nun gedanklich ganz vertraut nannte, denn von mir denken?

„Simon?“, rief ich, als ich die Tür aufstieß. „Unser neuer Nachbar hat Post bekommen. Ich hab´s angenommen. Hältst Du bitte die Augen offen, wann er daheim ist?“

Simon kam mir aus dem Wohnzimmer entgegen. „Klar. Ich hab ihm eh zugesagt, nächste Woche beim Renovieren zu helfen, spätestens dann bekommt er es!“

Mir lief es heiß und kalt den Rücken runter.

Wann bitte war das passiert? Simon half also diesem - ich seufzte leise beim Gedanken an ihn - Herrn und ich war mal weder die Letzte dies erfuhr?

War ja mal wieder typisch.

Meine Neugier war geweckt. Vielleicht hatte Simon ja bereits irgendwelche Neuigkeiten über den mysteriösen Schönling, die ich unbedingt erfahren musste.

„Ach ja?“, fragte ich betont lässig. „Wie kam es denn dazu?“

Simon erklärte mir, dass unser Vermieter ihn angerufen hatte wegen einer Wohnungsbesichtigung, bei der er dabei sein musste, weil er ja nun mal der Hausmeister war.

An einem Tag, als ich mit den Kindern draußen war, hatte diese Besichtigung dann stattgefunden.

Jaden war derjenige gewesen - wie ich ja eigentlich auch schon wusste - und hatte Simon, laut seinen Aussagen, wohl ziemlich genau und prüfend gemustert, was ihm gar nicht behagte, zumal er auch gleich erfuhr, dass der neue Mieter Polizist sein sollte.

Nicht desto trotz hatte diese Tatsache meinen Simon nicht davon abgehalten, Jaden seine Hilfe anzubieten, die dieser, natürlich dankend angenommen hatte.

Simon verzog das Gesicht, als ob er seine Hilfsbereitschaft nun bitter bereuen würde.

Zum wiederholten Male beteuerte er, wie unwohl ihm dabei sei. Wie ungern er Polizisten doch hatte und wie seltsam der ihn doch angeguckt hatte.

„Ach was“, wiegelte ich jetzt, da ich ihn gesehen hatte und heimlich schwärmte, ab.

„Der Mann ist Polizist. Bestimmt ist er nur außerordentlich aufmerksam und sieht Menschen eben anders als wir das tun. Das bringt bestimmt sein Beruf mit sich. Mach Dir mal keine Sorgen. Polizisten sind auch nur Menschen. Bestimmt ist er ganz nett.“

Simon sah mich eindringlich an.

Hatte ich etwa zuviel preisgegeben? Sah man mir an, dass mir Jaden nicht mehr aus dem Kopf ging, seit unserem Treffen?

Ich versuchte, nicht zu erröten.

Liebevoll umfasste ich seine Hüfte und zog ihn an mich. „Na komm. Sei nicht so. Gib ihm ne Chance, ohne total voreingenommen zu sein. Ich find´s auch nicht so witzig, nen Polizist als Nachbar zu haben. Stell dir nur vor, unsere Kinder sind zu laut, der schickt uns ja gleich das Jugendamt!“

Wir lachten beide und ich war froh, dass mein Liebster nichts gemerkt hatte.

Ich redete mir ein, dass diese Schwärmerei bestimmt vorbei gehen würde. Musste.

Länger als gewöhnlich sah ich Simon an, sah die neu entdeckte Verliebtheit in mich in seinen Augen und wusste, dass ich diesem Mann bestimmt nie das Herz brechen würde aufgrund einer unbedachten, kindlichen Schwärmerei.

Zwar konnte ich mir nach wie vor nicht erklären, warum es mich so sehr erwischt hatte, dass dieser Mr. Kingsley seit Tagen von früh bis spät in meinem Kopf herumschwirrte, aber das würde schon wieder vorbei gehen…


…dachte ich.

Erneut schrieb ich meiner Annie einen langen Brief und da es nur ein Thema gab und es mir einfach zu mühselig war, ständig seinen Namen oder `Mein Nachbar´ zu schreiben, gab ich meinem Angebeteten kurzerhand einen Kosenamen.

Das war in etwa das, was ich Annie schrieb:


„... Erinnerst Du Dich an deine Worte, als Du mein wunderschönes Dörfchen damit betitelt hast, es könne einem „Jane Austen“ Roman entsprungen sein und  ich müsse dann nur noch meinen Mr. Darcy finden?

Ich hab ihn gefunden, Annie.

Vor 4 Tagen stand er plötzlich vor mir. Er sieht umwerfend gut aus, hat den schönsten, gut gebautesten Körper, den ich je gesehen hab und sein Lächeln ist umwerfend und atemberaubend.

Jaden wird unser neuer Nachbar und zieht wohl die nächsten Wochen hier ein.

Meine Gedanken drehen sich nur um ihn und ich krieg ihn nicht mehr aus meinem Kopf. Ich schäm mich so gegenüber Simon, aber ich weiß, dass Du mich nicht verurteilst.

Tust Du doch nicht, oder?

Ach Annie, ich kann es kaum erwarten, meinen Mr. Darcy wieder zu sehen. Oder besser gesagt: meinen Mr. Sexy! *kicher*

Ich halte Dich auf dem Laufenden. Dicker Knuddler,
 Deine Marie“


Fortan war Jaden Kingsley, mein Gutaussehender, perfekter Adonis-Polizisten-Nachbar, der noch gar nicht mein Nachbar war, nur noch Mr.Sexy und Annie konnte es kaum abwarten, Neuigkeiten über ihn zu erfahren.

 Diese folgten bald darauf - auch wenn es mir wie eine Ewigkeit vorkam.





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