Liebe ohne Zukunft, Teil 4


 





Die Morgendämmerung hatte seit langem eingesetzt, die Flammen des Kamins waren erloschen und die ersten Sonnenstrahlen kitzelten Hermine aus ihrem Schlaf.
"Verdammt!" Hektisch sah sie sich um und rüttelte Draco wach.
"Draco!" Sie packte ihn kräftig an seinen Schultern. "Draco, schnell!"
Mit verschlafenen Augen blickte er sie verwirrt an.
"Hermine, was machst Du... Was ist... Oh!" Dann erinnerte er sich wieder daran, was passiert war und wo sie sich befanden.
"Scheiße"
Hastig stand er auf und zog sich an. "Du musst hier raus, bevor die anderen..."
"Ja. ich weiß, deswegen hab ich Dich doch geweckt."
Auch Hermine schlüpfte eilig in ihre Sachen, packte den Tarnumhang und machte sich auf den Weg zur Tür, die auf den Flur hinausführte.
"Hermine!" Draco sah ihr sehnsüchtig und gleichzeitig traurig hinterher. Das, was er ihr sagen wollte, kam einfach nicht über seine Lippen - doch Hermine verstand.
"So tun als wäre nie was gewesen. Ich hab schon kapiert."
"Ich liebe Dich!"
Hermines Gesicht leuchtete bei diesen Worten, doch sie gab es nicht zurück, denn sie wusste, dass er in wenigen Minuten wieder ganz der Alte sein würde. Mit all seiner Boshaftigkeit und den Sticheleien ihr gegenüber.
Aus diesem Grund drehte sie sich einfach um, legte sich den Umhang über und verschwand schnellstens aus dem Gemeinschaftsraum.

Die Schulglocken läuteten.
Hermine raste den Korridor entlang. Noch ein paar Meter…
Madame Hooch war bestimmt nicht angetan, wenn sie zu spät kam. Zumal das überhaupt nicht ihre Art war, aber sie hatte nicht schneller machen können.
Nachdem sie das Haus der Slytherins verlassen hatte, war sie leise in Ron und Harrys Zimmer geschlichen - die beiden waren Gott sei Dank schon weg gewesen - und hatte den Tarnumhang wieder unter das Bett geschoben, nur um gleich darauf in ihr Zimmer zu rasen und sich zu duschen.
Da hatte auch schon die Turmuhr geläutet, was bedeutete, sie hätte noch 5 Minuten Zeit.
Hastig hatte sie sich angezogen, ihren Schulumhang umgeworfen und war dann losgerannt.
Die Tür zum Hof stieß sie gewaltsam auf und prallte mit jemand zusammen.
Hermine wollte schon losbrüllen, ob derjenige nicht seine Augen aufmachen könne, als sie merkte, wer vor ihr stand.
"Sie neigen zu seltsamen Tugenden, Miss Granger.", spottete Severus Snape, als er herablassend auf sie hinunterblickte.
"Professor Snape. Ich... Tut mir leid... Madame Hooch... Flugstunde", stammelte sie außer Atem.
"Das ist mir geläufig, gewiss."
Hermine wusste nicht was sie tun sollte. Auf Snapes provozierende Art eingehen oder einfach weiterlaufen. Schließlich entschied sie sich für Letzteres und wollte an ihm vorbei, als der sie unsanft aufhielt.
"Nicht so schnell."
Hermine geriet in Panik. "Was denn noch", fuhr sie ihn an.
Snape jedoch lächelte bittersüß. "40 Punkte Abzug für Gryffindor.“
"Wieso denn das?"
"Und noch mal 10 für dumme Fragen." Snape grinste schmierig und ließ die verdutzte Hermine einfach stehen.

Es war mucksmäuschenstill und das erinnerte Hermine an ihre Schulstunde.
Schnell hastete sie weiter und kam 10 Minuten zu spät.
Hooch zeigte den Schülern gerade wie man einen Doppellooping vollführen konnte, ohne sich am Besen festzuhalten, als Hermine keuchend ankam.
"Miss Granger!" Der scharfe Unterton ließ sie erstarren.
"Miss Oberstreber hat wohl die Bettlaus gebissen", stichelte Crabbe und Goyle stimmte mit einem dümmlichen Lachen ein.
"Lass sie in Ruhe", zischte Draco und erntete verwirrte Blicke - nicht nur von Hermines Freunden und Mitschülern des Hauses Gryffindor.
Hermine warf ihm vielsagende Blicke zu und er räusperte sich kurz. "Ich mein... Was ist denn das für ein plumper Spruch? Du hast das Schlammblut schon besser beschimpft."
Kaum merklich nickte Hermine ihm zu, nur um gleich darauf eine böse Miene aufzusetzen und ihn anzuschreien.
"Meine Eltern sind wenigstens keine miesen Verräter."
"Uuuuuh… Ich zittere vor deiner Schlagfertigkeit."
Somit war der Anschein, dass sie sich abgrundtief hassten, wieder hergestellt und Hermine versuchte sich auf den Unterricht zu konzentrieren - nicht ohne hin und wieder einen Blick auf ihren Liebsten zu riskieren.

6 Monate waren seitdem vergangen. Endlos lange Wochen, in denen sich die Zwei versteckten, ihre Liebe geheim hielten wie zwei Verbrecher auf der Flucht.
Wenn sie in Gegenwart ihrer Freunde aufeinander trafen, taten sie als hassten sie sich und wenn sie einen gemeinsamen, unbeobachteten Moment hatten, ließen sie sich einfach treiben und gaben sich ihren Gefühlen voll und ganz hin.
Harry und Ron, sowie Crabbe und Goyle bemerkten gar nichts oder sie ignorierten schlichtweg die Signale, die die beiden unbewusst aussendeten.
Ron hatte zwar bemerkt, dass sich Hermine anders aufführte als sonst und sich immer mehr von ihnen abkapselte, aber er tat es als "pubertäre Eigenart der Mädchen" ab und versuchte Rücksicht auf sie zu nehmen.

Das Schuljahresende stand bevor und Hermine verzehrte sich schon jetzt aus Sehnsucht nach Draco, wenn sie nur daran dachte, 6 Wochen ohne ihn sein zu müssen.
Sie ging in die Bibliothek und wartete.
"Minchen" Leise flüsterte ihr etwas zu, das sie aber nicht sehen konnte.
Sie blickte sich um.
"Hier bin ich." Wie aus dem nichts erschien eine Hand vor ihr, was sie aufschrecken ließ.
"Draco."
Spitzbübisch streifte er Harrys Tarnumhang von seinen Schultern und blinzelte sie verliebt an.
"Du weißt, Harry wird mich auf Lebzeiten verfluchen, wenn er erfährt was wir mit seinem Umhang machen!?"
"Dann komm ich und breche Potter´s Fluch." Zärtlich beugte er sich zu ihr und küsste sie lange und leidenschaftlich.
Die beiden waren so mit sich selbst beschäftigt, dass sie die Welt um sich herum vergaßen, nichts mehr hörten und nichts mehr sahen.
Keine Sekunde ließen sie die Finger voneinander und drängten nach immer mehr und immer leidenschaftlicheren Küssen und Liebkosungen.

"Scheiße!" Ron´s Stimme durchbrach die Stille der Bibliothek
"Hermine, wie kannst Du?" Harry starrte seine Freundin ungläubig an.
Hermine stieß Draco unsanft von sich und schrie ihn, wenn auch wenig glaubwürdig, an: "Du Dreckskerl. Wenn Du mich noch einmal anfasst..."
"Lass es!" Ron´s Tonlage hatte diesen Klang, den Hermine noch nie von ihm gehört hatte und in dem Moment wünschte sie sich, sie hätte diese auch nie kennen gelernt.
"Ich hab das Grinsen in deinem Gesicht gesehen. Du hast es genossen." Angewidert spuckte er vor sich auf dem Boden aus.
Keiner der Anwesenden konnte noch was sagen. Sie starrten sich einfach nur an - jeder mit unterschiedlichen Gefühlen.
Ron war seinerseits so vor den Kopf gestoßen, dass er alle einfach stehen ließ und wegrannte.
"Ron, warte!" Harry versuchte seinen Freund aufzuhalten. "Das ist bestimmt ein Missverständnis.“
"Missverständnis?" Ron schrie die Worte schrill aus. "Was hab ich falsch daran verstanden, dass unsere Freundin ihre Zunge ganz tief in den Rachen dieses Idioten steckt?!"
"So sah es aus, ich weiß, aber...", versuchte Harry abzuwiegeln.
"So sah es aus?" Wieder die Schärfe in Ron´s Stimme, als er die Worte seines besten Freundes wiederholte. "Verdammt noch mal, Harry, hätten wir sie beim Sex erwischen müssen, damit Du die Augen aufmachst?"
Hermine war mittlerweile angekommen und blickte beschämt zu Boden.
"Oh nein. Sag nicht... Hermine, Du hast Dich von Draco vögeln lassen?"
Ein lauter Knall ertönte in der Halle, als Hermine ausholte und dem Jüngsten der Weasley-Jungs eine schallende Ohrfeige verpasste.
Tränen liefen ihr übers Gesicht. "Du hast doch keine Ahnung, Ronald Weasley. Von überhaupt nichts!"
Harry sagte gar nichts mehr. Er war einfach nur geschockt über die Ereignisse, die ihre, wie er gedacht hatte, tiefe und enge Freundschaft, auf eine harte Bewährungsprobe stellte

Wie so oft die letzten Tage lag Hermine in ihrem Bett und weinte sich die Augen aus.
Ihre braunen Locken hingen ihr dabei wirr ins Gesicht.
Sie wusste sehr wohl, dass es für Ron und Harry, besonders für Letzteren, so etwas wie Hochverrat bedeutet hatte, als sie sie mit ihrem Erzfeind knutschenderweise erwischt hatten. Aber ihre Gefühle für Draco waren so stark und intensiv.
Das erste Mal in ihrem jungen Leben war sie richtig verliebt und es tat weh, sich entscheiden zu müssen - zwischen ihren besten Freunden und ihrer großen Liebe.
Diese Entscheidungsfrage war ihr bisher nicht gestellt worden, aber sie hing, wie mit unsichtbarer Tinte geschrieben, in der Luft – jedes Mal wenn sie Ron oder Harry begegnete.
Draco hatte nur Angst, dass sein Vater davon erfahren könnte; aber er stand zu ihr.
Nun ja, nicht wirklich und auch nicht, dass er es musste, denn die beiden Gryffindor´s hatten dicht gehalten und das Ganze nicht auch noch in der Schule breitgetreten - wofür ihnen Hermine mehr als dankbar war.
Je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr wurde ihr klar, dass es nur einen Ausweg gab.
Hoffnungsvoll wandte sie sich an die einzige erwachsene Person, der sie am meisten vertraute.

Noch einmal atmete sie tief durch und klopfte an die große schwere Eisentür, hinter der keine Sekunde später eine Frauenstimme bat, dass sie eintreten solle…
"Professor McGonagall?" Hermine trat vorsichtig und ehrfürchtig in die Schlafgemächer der Lehrerin. "Ich muss mit Ihnen reden."

Das Schuljahr war zu Ende gegangen und Hermine hatte die ganzen Ferien damit verbracht, Bücher zu studieren und Sprüche auswendig zu lernen.
Zwar war das Zaubern außerhalb der Schule verboten, doch Professor Dumbledore hatte auf McGonagall´s Bitten eine Sondererlaubnis für sie erwirkt.
Sehnsüchtig hatte sie auf das neue Schuljahr gewartet und war immer darauf vorbereitet gewesen, dass eines Tages Lucius Malfoy vor ihrer Tür stand, um sie mit Qualenbringenden Flüchen zu belegen - aber nichts war geschehen.
 Hermine hatte ihre Entscheidung längst getroffen, auch wenn es ihr schwer fiel...




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