Groupie Girl, Teil 26



Teil 26: Entscheidungen

Trotz dieser Offenbarungen und der wundervollen Nacht hatten Kai und ich noch einiges zu klären.

Er hatte die kleine location für 2 Tage gemietet und die waren schneller vorbei, als mir lieb war.

Wir packten unsere Sachen und verließen die kleine Holzhütte, als gerade der Aufräumservice ankam.

Schweren Herzens blickte ich mich nochmal um, war aber auch froh, bald wieder zuhause zu sein.

Da Kai mich ja nicht vorgewarnt hatte, hatte ich keine Wechselkleidung dabei und ich sehnte mich nach einer erfrischenden Dusche und neuen Klamotten.

 

Zuhause angekommen brühte ich einen frischen Kaffee auf und sprang unter die Dusche.

Wir setzten und zusammen und wollten besprechen, wie es weiter gehen sollte. 

Ich wollte als erstes gründlich bei meinem Ex auf den Tisch hauen, damit ich endlich meine Kinder wieder sehen konnte.

Es war längst überfällig und die Pandemie schließlich schon lange überstanden.

Kai telefonierte mit seiner Frau und erklärte ihr, dass er einen weiteren Aufschub nicht duldete.

Er wollte die Scheidung. 

Dann wäre da nur noch Sebastian.

Ich seufzte und schaute Kai verträumt an. „Sag mal, wieso haben Du und deine Frau euch eigentlich getrennt?“

„Unüberbrückbare Differenzen – der Klassiker.“ Wir lachten, dann wurde Kai wieder ernst.

„Wir haben uns damals nach der Schule kennen gelernt. Ich war in der Ausbildung zum Mechaniker. Wir heirateten nach meiner Gesellenprüfung.“

Ich nickte und ließ ihn weiter erzählen.

„Schließlich entdeckte ich meine Leidenschaft zur Musik. Ich nahm Schlagzeugunterricht und kurz drauf lernte ich Basti kennen. 

An einem Samstag, es war Männerabend. Tanja hat mir immer den Samstagabend überlassen, damit ich „Männerzeug“ machen konnte.

Also ging ich in meine Stammkneipe, zischte ein paar Bierchen und dann setzte sich Basti neben mich, wir kamen ins Gespräch und er fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, in `ner Band zu spielen…“

„Und Du hattest Bock!“

„Klar“, Kai lachte. „Ich hatte so richtig Bock, also stellte er mich Tom vor und den Rest der Geschichte kennst Du.“

Ich zog fragend meine Augenbrauen zusammen und versuchte, die Erklärung zu finden, aber ich verstand es nicht.

„Und was war ihr Problem damit?“

Kai seufzte. „Die Arbeitszeiten. Jubelnde Zuschauer. Bandproben. Zeit im Studio. Label–Treffen. Alles Zeiten, die ich nicht mit ihr und den Kindern verbringen konnte.

Bei unserem zweiten Kind war ich gerade in Münster und konnte nicht bei der Entbindung dabei sein.“

„Autsch!“ Ich nickte verstehend und zog eine Grimasse.

Kai zuckte mit den Achseln. „Ich liebte sie und die Kinder doch trotzdem.“

„Versteh schon.“ Ich streichelte ihm sanft übers Gesicht.

„Tom hatte es so eingerichtet, dass wir abends immer heimfahren konnten. So blieben aber viele tolle Gig Möglichkeiten aus. 

Na ja, und München hat das Fass dann zum Überlaufen gebracht.

Das war der erste Gig seit langem, wo ich nachts nicht nach Hause kam… Sie hat mir eine riesige Szene gemacht. Aber kaputt war die Ehe schon davor.“

Ich ließ das Ganze auf mich wirken und bekam dann eine großartige Idee.

„Sag mal, kannst Du eigentlich nur Schlagzeug spielen?“

Kai nickte. „Wieso fragst Du?“ 

Ich zuckte mit den Schultern. „Aaaaaaaah, nur so `ne dumme Idee meinerseits“.

„Willst Du etwa auch in `ne Band?“ Kai lachte.

„Ich möchte nicht in `ne Band, ich würde nur gerne selbst spielen können. Schon lange.

Musik und ich sind eins. Dieses Gefühl, was mir Musik und Live Konzerte vermitteln…“

„… das erfüllt einen mit Zufriedenheit und Glück, gibt einem einen zusätzlichen Kick und das Gefühl der Freiheit, nicht wahr“, beendete der Dunkelhaarige meinen Satz.

„Genau das!“

Kai holte sein Handy aus der Tasche. „Gib mir 5 Minuten, ich kenn jemand, der kann Dir Unterricht geben.“

 

Eine Stunde später saß ich bei Sascha im Wohnzimmer und hielt zum ersten Mal eine Gitarre in der Hand.

Sascha war sehr geduldig und erklärte mir die Grundgriffe.

Das Notenlesen zu erklären ließ er einfach komplett weg, nachdem ich ihn angeschaut hatte, als spreche er mit mir chinesisch.

Nach 3 Monaten konnte ich mein erstes Lied auf der Gitarre klimpern.

Im Frühjahr 2024 komponierte ich meinen ersten Song, mithilfe von Sascha.

Ebenfalls im Frühjahr ´24 spielten die „Trees“ das erste Live Konzert nach der Pandemie.

Ich war aufgeregt.

Kai und ich wollten unsere frische Liebe noch bedeckt halten, deshalb lief der Tag für ihn ab wie immer: 3 Stunden vor Konzert mit der Band treffen, zur location fahren, Aufbau, kurze Probe, Essen gehen.

Ich machte mich wie gewöhnlich fertig, kaufte mein Ticket und kam dann eine halbe Stunde vor Einlass an.

Ich war nervöser als sonst. 

Nach dem Einlass ging ich auf die Toilette, ging zurück zur Bar und bestellte mir ein Mineralwasser.

Heute trug ich ein violettes, schlichtes Kleid und flache schwarze Schuhe.

Meine blonden Haare hatte ich hochgesteckt.

Ich lief vorfreudig zur ersten Reihe und stockte.

An dem Platz vor Tom, wo ich mich hinstellen wollte, stand Mia und funkelte mich giftig an.

Ich schluckte hart, doch ich wollte ihr diesmal keinen Zündstoff geben.

Ich sammelte mich kurz, lief selbstbewusst weiter und strahlte sie an.

Als ich neben ihr zum Stehen kam, reichte ich ihr meine Hand. „Wir sind uns noch nicht vorgestellt worden. Ich bin Michelle“, doch Mia giftete nun mit Worten. „Und das interessiert wen?“

„Du bist Mia, Sebastians Freundin, richtig?“ Ich bemühte mich wirklich stark, meine Fassung zu behalten, doch die ebenfalls Blonde machte es mir schwer.

„Du denkst wohl, jetzt, da Du auch blond bist, hast Du größere Chancen bei meinem Basti, was? Paaaaaah.“ Total übertrieben schmiss sie ihren Kopf nach hinten.

„Niemand kann mir das Wasser reichen, schon gar nicht so ein hässlicher Groupie, wie Du!“

Ihre Augen funkelten mich vernichtend an, sie spukte Gift und Galle und hatte nicht vor, so schnell wieder damit aufzuhören. 

Ich merkte, wie mir die Tränen heiß aufstiegen.

„Kannst Du mir mal erklären, was der Scheiss soll?“ 

Hinter mir näherte sich eine mir bekannte Stimme und ich drehte mich überrascht um.

Basti lief auf Mia zu und packte sie am Arm. „Sorry, Babe, aber wenn Du unsere Fans angreifst, kannst Du nicht hier bleiben.“

Mia wehrte sich und wollte Basti abschütteln, doch der duldete keine Einwände.

Er zog seine Freundin mit sich und dann waren sie aus meinem Blickfeld verschwunden.

Ich ging zur Bar, bestellte mir einen Whiskey – pur, ohne Eis und exte ihn.

Dann atmete ich einmal tief durch und ging zurück auf meinen Platz.

Kurze Zeit später kam Basti zurück und schloss mich überschwänglich in die Arme. „Elle, wie schön dass Du hier bist.“

Ich drückte mich an den Gitarristen und atmete seinen Duft ein.

Aber ich merkte, dass sich etwas verändert hatte – die Schmetterlinge, die ich sonst im Bauch hatte, wenn mich Basti an sich drückte, blieben aus. 

Ich löste mich von ihm und sah ihn an.

Er hatte glänzende Augen und strahlte geradezu.

„Du siehst großartig aus. 

Und - ich hab mir große Sorgen um Dich gemacht. Hast Du die Pandemie gut überstanden?“

So ein Heuchler, dachte ich. Wenn Du Dir wirklich Sorgen gemacht hast, wieso hast Du dann nicht mal eine meiner Nachrichten beantwortet? Nein, Du hast mich sogar überall geblockt, aber jaaaaa, Du hast Dich gesorgt!

Ich behielt die Gedanken für mich und antwortete nur mit einem knappen „Ja, alles gut“.

Unerwarteterweise beugte sich Basti nun nach vorne, legte seine Hand in meinen Nacken und presste seine Lippen auf meine.

Noch bevor ich auf irgendeine Weise reagieren konnte, wurde er von mir weggezogen und lag im nächsten Moment mit einer blutenden Lippe vor mir auf dem Boden.

Kai!

Die restliche Band war zwischenzeitlich dazu gekommen und Kai hatte das Szenario beobachtet. 

Ohne groß nachzudenken, hatte er Basti von mir weggezogen und ihm seine Faust ins Gesicht geschlagen.

Tom stand hinter ihm und sah aus, als müsse er sich zwischen lachen und weinen entscheiden.

Alex starrte von Kai zu Basti, dann zu mir und schüttelte nur den Kopf.

Dann nahm er seinen Bass und betrat die Bühne.

 

Ich ließ die Männer erstmal stehen bzw. liegen und begrüßte Tom. „Wiedersehensfreude mit einem großen Knall, was?“ Wir beide lachten und schlossen uns in die Arme.

„Und? War das Wiedersehen für Dich wie erwartet?“ Tom blickte zu Basti.

Ich lachte wieder. „Blutiger als erwartet, aber joa.“

Dann ging ich zu Kai und zog ihn mit mir. „Baby, lass uns nach dem Konzert reden, okay? Ich möchte jetzt echt dringend tanzen.“

Kai schaute mich verwirrt an und runzelte die Stirn. Ich küsste dieselbe.

„Keine Sorge. Mein Herz und meine Augen sind heute nur bei Dir… Mein Held!“ Dann küsste ich ihn auf den Mund und ging zu Basti.

Ich reichte ihm meine Hand, um ihm aufzuhelfen.

Als er wieder vor mir stand, reichte ich ihm ein Taschentuch. „The Show must go on. Hopp, auf die Bühne mit Dir, Großer. Dein Groupie will tanzen“, und zwinkerte ihm zu, ehe ich mich wieder auf meinen Platz stellte.

Als die Band zu spielen anfing, schloss ich die Augen und genoss es einfach.



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