Groupie Girl, Teil 24



Teil 24: Geburtstagsparty

Wir waren gerade aufgewacht.

Kai hatte mich auf die Stirn geküsst und war ins Bad verschwunden, doch da klingelte sein Handy.

Ich schaute kurz aufs Display, „Sebastian“ stand drauf und mein Herz hörte für einen Moment auf zu schlagen.

Kai rief aus dem Bad, „Elle, gehst Du mal ran?“

Doch meine Hände zitterten. Ich war starr und konnte mich nicht rühren, nichts sagen, nicht denken.

Es war, als stünde die Zeit still. 

Und dann kam sie zurück, meine Panikattacke.

Ich japste nach Luft und mein Kopf schwirrte.

Ich hatte Basti seit 1125 Tagen, 22 Stunden und 26 Minuten nicht mehr gesehen.

Insgeheim hatte ich mir schon ausgemalt, wie es wohl sein würde, wenn ich ihn wieder sehen würde.

Ob ich noch dieselben Gefühle für ihn haben würde, wie damals?

Aber immer, wenn ich an ihn gedacht hatte, war da gar nichts gewesen.

Nur Leere.

Nicht mal mehr sein Aussehen hatte ich vor Augen gehabt und dachte, ich könnte mich schlichtweg nicht mehr an sein Gesicht erinnern.

Doch jetzt, wo Kais Handy klingelte, kam alles gleichzeitig hoch und breitete sich seinen Weg durch meinen Kopf, mein Herz und meinen Magen.

Bastis schmuddelige Haare, die in der Sonne goldbraun glänzten, sein ungestutzter 3-Tage Bart, der einen leichten Rotschimmer hatte.

Seine mandelförmigen, braunen Augen.

Seine männlichen Augenbrauen, die er immer hochzog, wenn er etwas seltsam fand. 

Sein lautes, mein Herz zum Hüpfen bringendes, Lachen.

Sein großer, schlanker 1,90 Meter Körper, der nach meinem Geschmack, gerne ein paar mehr Kilos vertragen konnte.

Seine Art, mich in den Arm zu ziehen, mich anzusehen und mich an sich zu drücken.

Wie er sich jedes Mal strahlend von mir verabschiedete und mir ein „Bis Baldens“ hinterher rief.   

Ich bemerkte nicht, wie ich mich langsam wieder beruhigte und wie Kai nackt aus dem Bad gehüpft kam, um selbst ans Handy zu gehen.

Ich realisierte es erst, als er anfing zu sprechen und nun anscheinend auf Antwort wartete.

Ich blickte fragend nach oben.

Kai hielt eine Hand vor sein Display. „Willst Du mitkommen?“

„Was? Wohin?“

„Basti hat Geburtstag nächste Woche und fragt, ob ich jemand mitbringe.“

Wie konnte er mich das fragen? Echt jetzt? 

1000 Fragen schossen durch meinen Kopf, doch ich schaute Kai nur dümmlich an und sagte „Mia!“

„Erm, Basti. Ich bring eine Person mit… Ja, jemand den Du kennst… Ne. Lass Dich überraschen … Ja, bis nächste Woche. Hau rein, Alter.“ Dann legte er auf.

Ich starrte Kai weiter an, doch der legte einfach nur sein Handy beiseite und ging wieder ins Bad. 

Was war das bitte gewesen? 

Ich legte mich aufs Bett, schloss meine Augen und verdrängte eine erneute Panikattacke.

 

Eine Woche später stand ich super nervös im Bad.

Kai wollte mich gegen 16 Uhr abholen, denn ich hatte ihn in der Nacht zuvor gebeten, bei sich zu schlafen.

Klar hätte ich mit ihm über meine Gefühle reden können, aber hätte ich dies getan, dann hätte ich wahrscheinlich alles kaputt gemacht.

Denn darin war ich Meisterin.

Hätte, Hätte, Fahrradkette!

Auch darin war ich nach wie vor Meisterin: Sachen überdenken und schlimme Szenarien im Kopf ausmalen! 

 

Die Pandemie war endlich vorbei und demnächst sollten auch wieder Konzerte stattfinden dürfen.

Tatsächlich hibbelte ich dem weniger entgegen, als ich gedacht hatte.

Doch es war schön zu wissen, dass ich welche besuchen konnte, wenn ich wollte.

Durch Kai hatte ich wieder Lebensfreude erlangt und hatte in den letzten 13 Monaten stolze 18 Kilo abgenommen.

Meine Haare hatte ich wachsen lassen und trug sie jetzt lang und blondiert.

Da wir viel draußen gewesen waren, schmeichelte das Blond meiner natürlichen Sommerbräune. 

Ich fand, dass ich großartig aussah. 

Ich zog ein rotes Kleid an - Basti liebte rot an mir, dann strahlte er mich immer besonders an – doch das war mir im Moment meiner Kleiderauswahl nicht bewusst gewesen.

Ich fand einfach, dass es mir gut stand und fühlte mich heute besonders sexy. 

Kurz vor 16 Uhr klingelte es an meiner Haustür und ich öffnete.

Kai trug schwarze Jeans, ein rotes Hemd und schwarze Schuhe. Seine Haare hatte er, wie immer, stylish zur Seite gegelt. 

Seine Augen funkelten bei meinem Anblick.

„Wow“, sagten wir beide gleichzeitig, dann lachten wir.

„Als hätten wir uns abgesprochen, oder?“ Kai nickte.

„Lass Dich mal ansehen, Prinzessin.“ Er lief um mich herum und begutachtete mich von allen Seiten.

„Du bist der Blickfang des Tages.“

„Das wird Mia aber nicht gefallen“, sagte ich und bereute im nächsten Moment, es angesprochen zu haben. 

Kai grinste nur und küsste meine Stirn.

Keiner Frau dort wird es gefallen, dass Du ihnen die Show stiehlst. Bist du fertig?“

„Japp.“ Ich nickte eifrig und zog nochmal Lipgloss nach.

„Also, traust Du Dich so mit mir in die Öffentlichkeit“, fragte ich scheu. 

„Wenn nicht mit Dir, mit wem dann?“

Kai legte seine Hand in meine, ich packte meine Handtasche und dann gingen wir los. 

 

Kai fuhr uns mit dem Auto etwas außerhalb Nürnbergs.

Es war wohl eine kleine Bar direkt an einem See gemietet worden und dort sollte es auch Livemusik geben, wie er mir während der Fahrt verriet.

Eine Stunde später kamen wir an und begaben uns zum Eingang, der mit reichlich Girlanden, Lichtern und Luftballons geschmückt war.

Es war umwerfend schön.  

Viele Leute, die ich nicht kannte, standen mit Sektgläsern herum und unterhielten sich angeregt.

Überall war es wie beim Eingangsbereich geschmückt. Es gab zig Tische mit verschiedenen Köstlichkeiten und Getränken.

Als wir uns dem kleinen See näherten, stand davor eine kleine Bühne. 

Ich schaute auf die Bühne und erkannte die mir allzu vertrauten Instrumente. „Nicht Dein Ernst, oder?“

Ich rannte an Kai vorbei, blieb vor der Bühne stehen und deutete auf die Gitarre. „Das ist Saschas Gitarre“, ich hüpfte auf und ab. „Alter, neeeee, oder? Echt?“ 

Kai strahlte mich an. „Überraschung gelungen?“
 Ich stutzte kurz. „Warte mal? Basti spielt an seinem eigenen Geburtstag?“

Kai blickte beschämt zu Boden. „Ich dachte, Du würdest sonst nicht mitkommen. Es ist nicht sein, es ist mein Geburtstag.“

„Was?“ Ich schaute ihn schockiert an.

„Bist du blöd? Wieso sagst Du mir das nicht? Ich hab doch gar kein Geschenk für Dich.“

Kai zog mich an sich und küsste mich auf den Mund.

„Du bist Geschenk genug.“

Ich schlug ihn wieder. „Aber wieso dieses Schmieren-Theater? Ich versteh es nicht.“

Kai schaute mich mit Hundeblick an. „Basti hat die Party organisiert und wollte lediglich wissen, ob ich alleine komme, damit er die Gästezahl hat – wegen der Bestellung von Essen.

Mia ist zuhause. Seit dem Vorfall bei Toms Geburtstagsparty darf sie nicht mehr mit zu Feiern kommen und ich hab dich angeschwindelt, weil ich dachte, Du kommst sonst nicht mit.“

Ich war überwältigt, wie gut mich Kai mittlerweile kannte.

Es war nicht so, dass er meinte, Basti sei mir wichtiger als er. Er wusste nur, dass ich soziale Interaktionen mied und nur und ausschließlich meinen Hintern hoch bekam, wenn es um Basti ging. 

Oder Konzerte im Allgemeinen.

Ich wiederum wäre so oder so mitgekommen, da mir Kai mittlerweile viel zu wichtig war, als dass ich meiner doofen Sozialphobie nachgeben würde.

Er war mir wichtig, ihm war es wichtig, dass ich dabei bin – also war klar gewesen, dass ich mitkomme. 

„Du bist ein Idiot.“ Ich lachte, klatschte ihm auf den Hinterkopf und zog ihn dann in meine Arme, „aber Du bist mein Idiot.“ 

Unsere Zweisamkeit wurde durch die zahlreichen Gäste unterbrochen, die  ankamen und „meinem“ Kai zum Geburtstag gratulieren wollten.

Ich ließ ihn mit seinen Gästen alleine und holte mir ein Mineralwasser, während ich aus sicherer Entfernung das Treiben beobachtete und Fotos schoss. 

Etwa eine Stunde später sah ich wie die „Dingoes“ die Bühne betraten und sich kurz warm spielten.

Kai blickte sich suchend um und kam dann auf mich zu. „Willst Du nicht nach vorne?“

„Ne“, sagte ich und schüttelte den Kopf. „Ich möchte lieber hier hinten tanzen.“

Kai nickte und schloss mich in die Arme.

„Happy Birthday, Darlin´“, sagte ich und küsste ihn leidenschaftlich.

Dann setzte die Musik ein. 

 

Kai und ich tanzten uns die Seele aus dem Leib.

Volle drei Stunden ging das Konzert und mir taten die Füße bereits nach 30 Minuten so sehr weh, dass ich meine Schuhe auszog und barfuss weiter tanzte.

Bei „Chasing my Dreams“, einer Liebesballade, zog mich Kai in seine Arme.

Ich schloss die Augen und genoss den Moment.

Obwohl Basti nur wenige Meter vor mir auf der Bühne stand, hatte ich ganz vergessen, dass er anwesend war.

Im Moment gab es nur Kai und mich.

Nach diesem Song ging er los und wollte uns was zu Essen holen. 

Ich setzte mich kurz auf den blanken Rasen und massierte meine Füße.

Schon lange nicht mehr hatte ich so ausgelassen getanzt und gefeiert.

Meine Füße brannten wie Feuer.

Da setzte sich jemand neben mich und grinste mich durch seinen Bart hinweg an.

Ich hob den Kopf. „Oh mein Gott, Tom… Tooooooom.“ Ich rutschte ein Stück näher und fiel dem Sänger um den Hals.

„Wie schön Dich zu sehen.“

Tom erwiderte meine Umarmung und grinste genauso breit zurück.

„Du siehst bezaubernd aus. Blond steht Dir echt gut.“

Ich grinste verlegen und bedankte mich.

Wir hielten kurzen Smalltalk, über all das, was man eben gerade so redete: die Pandemie, die ganzen Maßnahmen, Lockdown, Einsamkeit und Priorität Nummer Eins: Die Impfung.

Wie man sie vertragen hatte, mit welchem Mittel man geimpft worden war … solche Dinge halt.

Dann kam Kai zurück und begrüßte seinen Bandkollegen kumpelhaft.

„Na, da hast Du dir ja `ne heiße Braut mitgebracht“, sagte Tom und zwinkerte mir zu.

Kai schmiegte sich sofort an mich und meinte gespielt drohend, „Mein Baby gehört zu mir, ist das klar?“

Ich schmolz nur so dahin.

Leise stimmten Tom und ich „The Time of my Life“ an und fingen an, laut zu lachen.

„Ich spiel dann übrigens noch solo.“

Ich schaute Tom neugierig an.

„Wir dachten, es sei `ne gute Idee, wenn ich paar Songs performe, so zum runter kommen und langsam beenden.“

Ich nickte. „Großartige Idee. Ich freu mich, Dich spielen zu hören.“

Tom lachte. „Ich hoffe, ich kann das noch.“

Ich streichelte ihm über den Arm. „Na Klar. Ist wie Fahrrad fahren. Tanzen kann ich doch auch noch.“

Wir drei lachten, dann ließ uns der Sänger alleine.

Kai reichte mir mein Essen und wir beschlossen, uns etwas abseits zu setzen.

Links neben der Bühne war ein kleiner Hügel, der etwas höher war als die Bühne selbst.

Da wollten wir uns hinsetzen und hatten zudem einen fabelhaften Ausblick auf das komplette Treiben.

Er breitete eine mitgebrachte Decke aus und deutete mir an, mich hinzusetzen.

Dann aßen wir und lauschten Toms Gesang.

 

Es war weit nach Mitternacht, als Kai mich mit einer Flasche Sekt und frischen Erdbeeren überraschte.

Die Gäste verabschiedeten sich langsam, das merkten wir daran, dass es immer ruhiger wurde. 

Er füllte die prickelnde Flüssigkeit in zwei Kelche und reichte mir einen, dann nahm er eine Erdbeere und fütterte mich damit. 

Ich aß sie, trank einen Schluck des süßen Sektes und schloss genießerisch die Augen.

„Mit Dir ist jeder Tag etwas besonderes“, sagte Kai und beugte sich nach vorne, um mich zu küssen.

Ich erwiderte den Kuss und leckte anschließend seine Lippen ab. „Du schmeckst süß.“ Ich kicherte.

„Ich bin ja auch ein Süßer.“

Ich tat gespielt nachdenkend. „Hmmmm….manchmal.“

„…Und Du bist frech!“ Kai startete eine Kitzelattacke und ich bat ihn aufzuhören, doch er tat mir den Gefallen nicht.

Wir alberten und balgten, als ich plötzlich ein Déjà-vu Erlebnis hatte.

Basti und ich, balgend und lachend, auf seinem Bett, in München. 

Umgeben von Kissen und Decken, nachdem wir eine Kissenschlacht veranstaltet hatten…

„Alles okay?“ Kai hatte bemerkt, dass ich abwesend war und hatte augenblicklich die Balgerei unterlassen.

Nun saß er vor mir und schaute mich fragend an.

„Wieso hast Du mich nie nach Basti gefragt?“ Meine plötzliche Frage überforderte ihn.

„Seit 14 Monaten treffen wir uns, obwohl Du genau weißt – so wie jeder andere – dass ich in Basti verliebt war.

Warum hast Du nie gefragt, ob ich ihn noch immer liebe?“

Kai verstand endlich und senkte den Blick. „Ich hatte gehofft, es ist nun vorbei. Ist es doch?“

Ich senkte ebenfalls den Blick. „Ich weiß es nicht, Sweetie. Ich weiß nur, dass Du mich glücklich machst.

Dass ich durch dich endlich wieder angefangen habe, zu leben.

Als er auf Deinem Handy anrief, hab ich fast gekotzt vor Aufregung, aber heute…“, ich schaute dem Dunkelhaarigen fest in die Augen und streichelte sein Gesicht, „gibt es nur Dich für mich. Uns zwei. Diesen Moment hier. Ich hatte nur das Bedürfnis, soweit weg wie möglich von ihm zu sein und Zeit mit Dir zu verbringen. Ich will das nicht verlieren.“

Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn zart auf den Mund. „Ich will Dich nicht verlieren.“

„Dann halt es fest.“

Wir verschmolzen in einen innigen Kuss und ließen uns treiben.





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