Groupie Girl, Teil 19



Teil 19: Kai

Nach dem Abend änderte sich einiges zwischen Sebastian und mir. 

Als ich ihn 3 Wochen später mit den „Trees“ sah, alleine diesmal, weil meine Freundin keinen Ausgang „genehmigt“ bekommen hatte, lief ich freudestrahlend zum Merchstand der Band. 

Ich war mittlerweile so oft da gewesen, dass mich die meisten schon mit riesigem Hallo begrüßten.

Tom und ich hatten vor einigen Wochen das erste Mal miteinander geredet und seine gutmütige, väterliche Art mit mir umzugehen, fand ich super.

Tom war so ein Herzensmensch. Ich „liebte“ ihn dafür.

In seiner Nähe fühlte ich mich stets so, als hätte ich einen großen Bruder dabei, der mich beschützt und auf mich aufpasst.

Heute stand Tom am Merch und verkaufte ihre neue Platte.

Ich sicherte mir natürlich direkt ein Exemplar, ließ sie von allen signieren und ging freudig zu Sebastian, der sich eben ein Bier holte.

„Hey, schöner Mann…“ Basti schaute mich unterkühlt an und wich ebenfalls vor meiner Umarmung zurück.

Ich war verunsichert und verstand sein Verhalten nicht. Sekundenlang starrte ich ihn an, ehe mir wieder einfiel, was ich wollte.

„Ehm…“, ich reichte ihm die Platte und den Edding, den mir Tom geliehen hatte, „könntest Du mir die bitte signieren?“

„Klar“, sein kalter Tonfall hätte die Sonne zum Verglühen gebracht.

Hektisch gab er mir die Scheibe zurück. 

„Danke“, doch Basti beachtete mich gar nicht und widmete sich wieder seinem Bier.

Ich lief eiligst zu Tom zurück, versuchte möglichst höflich seinen Rededrang zu unterbinden und mich genauso höflich und schnell zu verabschieden.

Das war die erste Nacht, in der ich mich wegen Sebastian in den Schlaf weinte.  

 

Im Herbst 2017 war das erste Mal, dass ich Kai so richtig bemerkte.

Auch die „Trees“ hatte ich nun mehr als 16 Mal live gesehen, aber Kai war mir immer sehr arrogant und unantastbar rüber gekommen.

Ich hatte mir nicht wirklich die Mühe gemacht, ihn näher kennen zu lernen.

Bei meinem Konzert im Oktober aber änderte sich das.

Ich kam zu der kleinen Openair Veranstaltung, als die Band gerade Soundcheck machte. 

Die Stimmung zwischen Basti und mir hatte sich nicht viel gebessert.

Mittlerweile war er wieder freundlich zu mir, aber sehr kurz angebunden.

Magische Momente ließ er gar nicht mehr zu. 

Mich stimmte das etwas traurig, aber die „Trees“ waren mir so stark ans Herz gewachsen, dass Basti da nebensächlich war.

Als Tom mich erblickte, unterbrach er den Soundcheck, winkte mir hektisch zu und rief durchs Mikro, “Hi, Michelle.“

Alle anwesenden Zuschauer drehten sich gleichzeitig zu mir um.

Ich lief, schon wieder mal, knallrot an und tippelte dann hektisch auf einen freien Platz in der ersten Reihe und nahm Platz, 

Nachdem der Soundcheck erfolgreich beendet war, war es an dem Tag Kai, der mich als erstes begrüßte.

Fröhlich grinsend sprang er von der Bühne, lief auf mich zu und gab mir die Hand. „Hallo Michelle, schön, dass Du da bist. Hattest Du `nen weiten Weg?“

Ich schüttelte den Kopf. „Ne, Quatsch. Ich wohn nur 20 KM von hier. Katzensprung.“

Alex kam als nächster und bedankte sich ebenfalls.

Er sagte mir, wie großartig er es fand, was ich alles auf mich nahm, nur um sie sehen zu können und dass es ihn immer freute zu sehen, wie ich sämtliche Texte mitsingen könne. 

„Kein Problem, mach ich doch gerne“, wiegelte ich das Ganze ab.

Als die zwei gegangen waren, kam Tom, nahm mich in den Arm, sagte mir, dass ich verrückt sei und doch nicht zu jedem Konzert von ihnen kommen müsse, aber ich lachte nur.

„Ach was. Klar muss ich das nicht“, antwortete ich ihm, „aber ich tu es, weil ich es möchte.“

Tom nickte und sah nachdenklich aus. Ich merkte, dass er grübelte.

Und als sich uns gerade Sebastian näherte, der mich, zu meiner Verwunderung, heute wieder mega anstrahlte und der gerade noch einen Meter von uns entfernt war, sagte mir Tom das, wonach er die ganze Zeit die passenden Worte gesucht hatte

„Du, Mich, Du musst fei nächste Woche nicht nach Hamburg fahren, zu unserem Konzert“, er grübelte kurz weiter. „Weißt Du, der Basti, der wird nämlich nicht bei dem Konzert dabei sein. Es lohnt sich also nicht für Dich.“

Ich erstarrte zu einer Eissäule.

Das hatte er jetzt nicht echt gesagt, oder? Dachte er echt ich komme nur zu ihnen wegen Basti? 

Und das alles, während dieser nur noch einige Zentimeter von uns entfernt stand. 

 

Tom und ich waren seit dem letzten Album Release auf Facebook befreundet und hatten Handynummern ausgetauscht.

Meist fuhr ich ja schon vor ihnen mit dem Flixbus zu Konzerten und so konnte ich ihn schnell informieren, wenn es Staus gab.

Aus dem Grund und weil ich ihn gefragt hatte, ob ich für Hamburg eine Karte brauchte oder das Ganze auf Spendenbasis laufe, wusste er natürlich von meinen Plänen.

Das war mit Abstand die peinlichste Situation, die ich bisher erlebt hatte.

Sah auch Tom so, als sich Basti an ihm vorbei drängte, mich dreckig angrinste und fest drückte, während er mich mit, „Hi Elle, schön dass Du da bist“, begrüßte.

Tom riss seine Augen auf, schaute mich erschrocken an und stammelte dann was von „Backstage“ und „noch was vorbereiten für die Show“, dann verschwand er hinter der Bühne.

„Hallo Sebastian“, ich drückte ihn nochmal extra an mich, bevor ich ihn losließ.

„Und? Warst Du dieses Jahr in Urlaub?“

Mich wunderte die Frage, aber wieso nicht? Hauptsache, er redete wieder mit mir. 

„Naja, du weißt, ich hab zwei Kinder. Ich durfte großzügigerweise …“ Ich malte mit meinen Fingern Anführungszeichen in die Luft, „… 6 Wochen nonstop Mami spielen. Mit zwei Kindern Urlaub stell ich mir nicht so prickelnd vor.“

Basti lachte auf. „Glaub ich dir, deshalb hab ich keine“, und streckte mir provozierend die Zunge raus.

Dann wuschelte er über meinen Kopf. „Danke, dass Du da bist. Viel Spaß bei unserem Konzert, Elle.“

„Danke Basti, wünsch ich euch auch.“

Auch er ging hinter die Bühne und ehe er ganz aus meinem Blickfeld verschwand, drehte er sich nochmal um und zwinkerte mir zu. 

 

Dieses Konzert verbrachte ich wieder auf Wolken schwebend.

Die Peinlichkeit mit Tom hatte ich verdrängt, denn es war heute einfach zu perfekt, um mich wegen solchen Kleinigkeiten zu krämen.  

Nach dem Konzert verschwand die Band hinter der Bühne.

Ich wartete ungeduldig, denn ich wollte mich verabschieden und musste schon bald weiter. 

Abends spielte noch eine meiner Bands.

Ich musste also in knapp einer Stunde zurück in Nürnberg sein. 

Ich lief vorsichtig zur Bühne, schaute links und rechts. Lief ein Stück weiter und spähte um die Bühne herum.

Ich hatte gehofft, Tom zu sehen und ihn kurz zu mir rufen zu können, aber stattdessen stand da Kai.

Er hatte den Kopf in den Himmel gestreckt, die Augen geschlossen und grinste mit der Sonne um die Wette.

Ich wollte schnell wieder gehen, aber da hatte mich Kai auch schon entdeckt. „Hey, Michelle“, er kam mit weit geöffneten Armen auf mich zu und fragte, ob mir das Konzert gut gefallen habe.

„Klar. Ich liebe eure Musik. Immer wieder ein riesen Vergnügen“, ich strahlte zurück und blickte zu dem Zelt, das neben uns stand.

„Du sag mal“, ich deutete mit dem Finger auf das Zelt, „ist Tom da drin? Ich wollte kurz Tschüß sagen.“

Kai hakte sich bei mir ein. „Klar, komm mit“, und zerrte mich Backstage.

Alex, Basti und Tom drehten sich erstaunt um, als sie mich mit Kai reinkommen sahen.

Tom grinste. „Na, schaut mal, wer uns da besuchen kommt: unser Groupie.“

Ich zwickte ihn nicht ganz ernst gemeint in den Arm. „Hast Du ein Glück, dass Du das sagst. Ein anderer wäre jetzt ein Kopf kürzer.“

Die Jungs lachten und ich war erstaunt, wie wenig es mir tatsächlich ausmachte, von ihm so genannt zu werden.

Bei Nicole rastete ich jedes Mal fast aus.

Ich redete nochmal mit allen und verabschiedete mich schließlich.

Kai hakte sich wieder bei  mir ein und geleitete mich nach draußen. 

„Anstand muss sein“, erklärte er mir. „Ich hab Dich hier rein entführt, ich bring Dich auch wieder raus.“ 

Ich war entzückt, wie charmant und gar nicht arrogant Kai war.

Ein echter Sonnenschein. Wieso war mir das nie vorher aufgefallen? 

„Komm gut nach Hause und danke. Uns bedeutet das echt viel, dass Du immer kommst.“

„Aaaaah waaaaas“, ich winkte verschämt ab. „Ist doch gar nichts.“

Da kam Basti nach draußen, drückte mich nochmal und streichelte meinen Arm, „Was machst Du heute noch Schönes? Mama spielen?“

Ich lachte.

„Nee, die sind bei ihrem Vater. Ich muss jetzt schnell schnell nach Nürnberg. Hab gleich noch `n Konzert. Wahrscheinlich komm ich hoffnungslos zu spät.“

Basti streichelte noch immer meinen Arm und sah mich lieb an. „Na dann, wünsch ich Dir viel Spaß.“

Ich knuffte ihn und wollte gehen, doch Basti drückte mich erneut. „Pass gut auf Dich auf.“

„Klar, immer doch, ich bin schon ein großes Mädchen, weißt Du“, und zwinkerte ihm zu.

Basti lachte laut und winkte mir zu, „Bis baldens.“





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