Groupie Girl, Teil 12



Teil 12: Alles auf Anfang 

„Elle? Elle, wo bist du denn?“

Einige Sekunden, nachdem Basti und ich uns erschöpft auf dem Boden niedergelassen hatten, hörte ich Kais Stimme, die nach mir rief.

„Was will der denn?“ Basti zog seine Augenbraue nach oben.

Hektisch stand ich auf und suchte im Dunkeln, wild um   mich tastend, meine Klamotten.

„Scheisse. Bastian, hast Du meinen Slip gesehen? Ich kann meine Scheiss Klamotten nicht finden.“

Basti stand auf und holte sein Handy raus, doch ich hielt ihn hektisch zurück.

„Wenn Du jetzt die Taschenlampe einschaltest, könnte uns Mia sehen.“

„Bist du Dir sicher, dass es wegen Mia ist?“

Ich schaute Basti empört an. “Bist Du jetzt total blöd? Wegen Kai vielleicht?“
 „So wie Du Dich grad benimmst… Ich dachte, Dir liegt was an mir?“

Ich konnte es nicht fassen.

Machte er mir jetzt tatsächlich `ne Szene? Er? Mir?

Meine innere Stimme wurde schon wieder hysterisch. 

Zwischenzeitlich hatte ich meinen Slip gefunden, angezogen und versuchte nun umständlich meine Strumpfhosen über zu ziehen.

„Ich weiß grad nicht, was Dein Problem ist. Ich liebe Dich, Sebastian. Ich hab Dich schon immer geliebt.“

Der Gitarrist starrte mich an.

Er zog eine Augenbraue nach oben, schaute mir zu, wie ich noch umständlicher mein Kleid und meine Schuhe wieder anzog, drehte sich dann einfach um und meinte, „Wir sehen uns. Bis bald.“

 

Wie dumm kann ein einziger Mensch eigentlich sein? 

Da stand ich nun. 

Durchgevögelt, ohne auch nur ein einziges Stück Selbstwertgefühl im Leib. 

Entblößt und erniedrigt.

Ich meine, war es ihm nicht immer klar gewesen, dass ich ihn liebe? 

Klar, war es dumm gewesen, ihm das jetzt so hinzuknallen, aber: BITTE!

Tom wusste das bereits seit Monaten. Ich hatte das Gefühl, jeder wusste es.

Genervt von mir selbst, hob ich meine Handtasche auf, strich kurz durch meine Haare und lief dann hinten herum auf den Theatervorplatz.

Ich hoffte sehr, dass ich heute möglichst niemandem mehr über den Weg laufen würde… Aber natürlich war mein Glück mal wieder ein Arschloch und hielt sich fern.

Gerade als ich ankam und noch rechtzeitig sah, dass Kai an die Garderobe ging, kamen mir Basti und Mia entgegen.

Total provozierend zog sie ihn ein Stück näher und schaute mich herablassend an.

Basti drehte seinen Kopf weg und tat, als sei ich gar nicht vorhanden.

Ich überlegte kurz, ob ich eine bissige oder fiese Bemerkung los lassen sollte und gegen wen – Sie oder Ihn, aber da waren sie auch schon an mir vorbei und Kai kam gerade jetzt zurück und schaute mich erleichtert an.

„Da bist Du…“, doch er hielt abrupt inne. „Wie siehst Du denn aus?“

Ich lenkte beschämt ab.

„Bringst Du mich noch heim?“

Kai nickte und nahm meine Hand. 

 

 

In dieser Nacht lag ich lange wach und dachte nach.

Kai hatte mich bis vor die Haustür begleitet, feste geknuddelt und mir gesagt, ich solle gut auf mich aufpassen.

Wir hatten Handynummern ausgetauscht. Er meinte, dass er sich sorge und einfach sicher gehen wolle, dass es mir gut geht.

Danach war ich in meine Wohnung gegangen, hatte meine Kleidung wütend ausgezogen und in den Wäschekorb geknallt. 

Danach hatte ich gefühlte 10 Stunden lang heiß geduscht.

Nichts mehr wollte ich an mir haben, was mich an Basti erinnerte.

Weder seinen Duft an mir oder meinen Klamotten, noch die zahlreichen Bilder, die ich mit ihm und seinen diversen Bands gemacht hatte.

Ebenso dachte ich über Kai nach.

Wieso war er so nett zu mir? Wieso so extrem bemüht, um mein Wohlbefinden? 

Und vermittelte ich wohl für Außenstehende den Eindruck, als wäre ich in ihn verliebt? 

Ich meine, Basti hatte doch nicht umsonst so reagiert…

Und wieso führte er sich überhaupt auf, wie ein eifersüchtiger Gockel? 

Er brach schließlich mir das Herz, nicht umgekehrt…

Ich wollte und musste all das beenden.

 

Ich beschloss, irgendwann am nächsten Tag, früh gegen 11 Uhr, mich endlich hinzulegen und erstmal ordentlich auszuschlafen.

Dann würde ich Kai anrufen und die Fronten klären

Ich musste wissen, was hinter seinem Verhalten steckte und klare Grenzen ziehen.

Diese unsichtbare Grenze, die Basti schon immer gezogen hatte und die wirklich sinnvoll war.

Und beim nächsten Konzert… Ich würde all meinen Mut zusammen nehmen müssen, aber da würde ich mir Basti beiseite nehmen, ihm meine Meinung geigen und das Ganze beenden.

Beenden, was auch immer das mit uns war.

Ich brauchte meinen Heilen-nicht-Groupie-Seelenfrieden wieder.

 

 

Doch es kam gewaltig anders, als ich mir das vorgestellt hatte.

Eine Woche später, im März 2020 rief unsere Bundeskanzlerin, den Katrastrophenfall in Deutschland aus.
 Pandemie.

Irgend so ein dummer Virus, der wohl aus China stammen und die ganze Welt befallen haben soll.

Hörte sich ziemlich nach Sci-Fi in meinen Ohren an, aber gut.

Machen wir das Spielchen halt mit, wieso nicht? Ist nächste Woche eh wieder vorbei.

Pah. Pustekuchen.

Diese dumme Sci-Fi Pandemie wurde von Tag zu Tag schlimmer.

Die Leute kauften die Läden leer, als wären wir Akteure in einem „The Walking Dead“ Live-Rollenspiel… was-weiß-ich.

Wir wurden immer mehr eingeschränkt. 

Bald wurden Einzelhandel, Freizeiteinrichtungen und Gastronomie geschlossen.

Theater und Konzerte durften nicht mehr stattfinden.

Einige Wochen später führte unser bayrischer Bundesminister die Maskenpflicht ein.

Erst hieß es, Tücher zum bedecken von Mund und Nase würden reichen.

Dann brauchten wir medizinische, schließlich FFP2 Masken.

Nachts ab 21 Uhr durfte man nicht mehr raus, verreisen oder überhaupt rausgehen, nur noch mit absolut wichtigem Grund, wie Arbeiten gehen… 

Und aus meiner erhofften Woche wurden 3 lange Jahre. 

3 Jahre, wo ich kein Konzert, kein bisschen soziales Leben haben durfte.

Ich kam fast um vor Sorge, wie es Basti wohl ginge… all meinen anderen Bands und ich verging vor Sehnsucht, nach ein bisschen Livemusik und tanzen.




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