Dean´s Choice, Teil 1


"Meinst Du wirklich, Sammy kommt?" Dean Winchester saß mit seiner Frau Joann auf der hauseigenen Veranda, hatte einen Arm liebevoll um sie gelegt und blickte nachdenklich auf die Promenade von Santa Barbara.
"Klar tut er das!", erwiderte die Blonde selbstbewusst und schmunzelte vor sich hin.
Dean sah sie erstaunt und gleichzeitig skeptisch an. "Woher willst Du das denn wissen? Sam hasst Halloween."
Jo zwinkerte ihm verschwörerisch zu. "Ich weiß. Aber er wird kommen, vertrau mir!"
Liebevoll strich Dean über ihr hübsches Gesicht und küsste sie dann zärtlich auf die Stirn.

Es war perfekt.
Nachdem er und sein Bruder den letzten großen Kampf bestritten hatten, bei denen ihnen Jo zur Hilfe geeilt war, waren sie "ganz normale Bürger" geworden.
Der ältere Winchester hatte einfach keine Lust mehr gehabt, von einem Ort zum nächsten zu reisen, auf der Jagd nach Dämonen.
Schließlich wurde er auch nicht jünger und die ganzen Kämpfe gegen die Brut der Hölle forderten so langsam ihren Tribut.
Nicht zuletzt hatte die frisch entfachte Liebe zu Joann ihn zur Erkenntnis kommen lassen, dass es auch noch ein Leben nach dem Kampf gab.
Nie hätte er gedacht, dass er einmal so für eine Frau empfinden könnte, schon gar nicht für sie, die Tochter von Ellen Harvelle, die eigentlich mehr wie eine kleine Schwester für ihn gewesen war.
Doch als er sie wieder gesehen hatte - nach endlos langen 8 Jahren - war der Funke übergesprungen und es hatte sie beide überkommen. Wie ein Hurrikan über das Land, war die Liebe über sie beide hinweggefegt und hatte sie hierher geführt.
Dean schüttelte in Gedanken versunken den Kopf. Nie hätte er gedacht, dass er mal was anderes täte als jagen - und dann auch noch in Santa Barbara leben, zusammen mit Joann...
"An was denkst Du, Honey?"
Dean schrak auf und blickte geradewegs in Jo’s blaue Augen. "Wir sollten uns langsam umziehen, meinst Du nicht?"
Jo tätschelte sein Knie, während sie aufstand. "Na dann mal los, Tiger. Meine Mom und Bobby werden bald hier sein!"
"Und Sammy?"
Jo verdrehte entnervt die Augen. Wenn Dean seinen Bruder mal länger als ein paar Wochen nicht sah, wirkte er irgendwie nervös und hibbelig - als sei er auf Entzug.
"Ich ruf ihn noch mal an, okay?"
Dean zog sie zu sich und küsste sie leidenschaftlich auf den Mund. "Danke, Sweetie!" Dann eilte er die Stufen nach oben, um sich im Schlafzimmer umzuziehen.

Das Handy klingelte zweimal, bevor es in der Leitung klickte und eine gehetzte, männliche Stimme sich meldete.
"Samuel Winchester!"
Jo kicherte. "Seit wann so förmlich?"
"Jo??"
"Wer sonst, Schwager? Bist Du schon auf dem Weg? Dean bekommt schon Entzugserscheinungen!"
"Was?" Sam verstand ihre Anspielung nicht und Jo konnte sich bildlich vorstellen, wie er perplex das Telefon anstarrte.
"Hast Du Dich schon in Dein Kostüm geschmissen?"
"Muss das denn sein? Halloween ist ja schlimm genug, aber Kostüm...."
Doch Jo duldete keine Widerrede. "Sam, Du hast es mir versprochen! Oder soll ich meiner Mom erzählen, was Du vor 10 Jahren getan hast?"
Sam grummelte. War klar, dass Jo ihn wieder mit dieser Sache erpresste, als er besessen war und sie geschlagen hatte, um sie anschließend als Köder für Dean zu benutzen.
"Miststück!"
"Drecksack!"
Sam lachte. "Du bist definitiv schon zu lange mit meinem Bruder zusammen!"
Jo erwiderte das Lachen und konterte frech: "Kann gar nicht lang genug sein!"
Dann wurde sie wieder ernst. "Du bist pünktlich, oder? Du weißt wie wichtig es Dean ist, dass Du wenigstens zu den Festlichkeiten kommst!"
"Gib mir 1 1/2 Stunden. Mein Kostüm wird Dich umhauen!"
 Das Klicken in der Leitung zeigte der Blonden an, dass Sam aufgelegt hatte und Jo jubelte insgeheim, dass sie es doch immer wieder schaffte, Sam zu überreden. 
Auf der anderen Seite tat ihr der jüngere Winchester auch leid.
Jahrelang hatte er gegen seinen Vater rebelliert, hatte sein Schicksal als Jäger nicht annehmen wollen und dann - als er darin seine Lebensaufgabe, das Erbe seines Vaters erkannt und Spaß daran gehabt hatte - war Dean derjenige gewesen, der ihm mitgeteilt hatte, dass er dieses Leben nicht mehr wollte.
Sam war in ein tiefes Loch gefallen, auch wenn er sich für die Beiden gefreut hatte.
Eine zeitlang hatte er noch alleine gekämpft, aber es war einfach nicht dasselbe gewesen ohne seinen Bruder - und ohne den Impala.
Schließlich hatte er sich dazu entschlossen, wieder zu studieren, während Dean und Jo nun zusammen eine Agentur leiteten, die sich auf flüchtige Verbrecher spezialisiert hatte; sprich: sie waren Kopfgeldjäger und verdienten daran nicht schlecht.
Es war zwar nicht dasselbe wie die Jagd nach Dämonen, aber zumindest besser als Tag für Tag im Büro zu sitzen, was Dean wahrscheinlich früher oder später in den Wahnsinn getrieben hätte.
Tja, und Sammy war der wahrscheinlich älteste, aber auch klügste Student seines Jahrgangs und hatte es daher geschafft, innerhalb kürzester Zeit ein Stipendium für die Oxford University in England zu erhalten, wo er das Worchester College besuchte.
Ihre Mum und Bobby sahen die Beiden auch nur noch selten, denn die hatten zusammen das Road House wieder aufgebaut, an derselben Stelle, in Nebraska, wo es früher gestanden hatte und bewirteten nun zusammen die durchreisenden Jäger.
Jo wusste, dass sie alle nur aus Liebe zu ihnen, die lange Reise auf sich nahmen und Sam eventuell sogar dafür, um Dean umzustimmen. Denn dass Sam das Jagen komplett an den Nagel gehängt hatte, daran konnte und wollte sie einfach nicht glauben.
Aber wie dem auch sei, sie war froh, dass sie alle heute Abend ankommen würden, um mit ihnen Halloween zu feiern. Sie würden bestimmt - und da war sich Jo sicher - eine glückliche und dämonenfreie Zeit miteinander verleben.

"Bring mir einen Martini, Puppe - gerührt, nicht geschüttelt!" Dean stand im Smoking vor Jo und sah verführerisch aus.
"Der sexiest Bond, den die Welt je gesehen hat!", antwortete die Blonde und unterstrich ihre Aussage, indem sie sich eng an ihn schmiegte und verführerisch die Augen aufschlug.
"Ich nehme an Du bist mein Bond Girl?" Jo grinste und stellte sich aufreizend vor ihrem Mann auf. "Bin ich Deiner würdig?"
Dean´s Augen leuchteten. Jo hatte ihre goldblonde Mähne kunstvoll hochgesteckt und eine Orchideenblüte aus Chiffon darin drapiert. Sie trug ein langes, schwarzes Abendkleid mit Paillettenbesatz am unteren Saum und an dem langen Schlitz - welcher beinahe ihre gesamten, makellosen Beine entblößte - entlanglief. Dazu passende, ellenbogenlange Handschuhe und ein in Silber gehaltenes, schlichtes Clutch.
"Na aber so was von!" Und erregt zog er seine Frau in seine Arme und küsste sie leidenschaftlich, während seine Hände ganz ungentleman-like auf Wanderschaft gingen.
"Nicht jetzt, Honey!", keuchte die Blonde unter seinen Berührungen, die sie zum Erbeben brachte, aber Dean dachte nicht dran aufzuhören, sondern streichelte sie weiter und ließ geschickt seine Hände unter ihren Saum gleiten, als es plötzlich an der Türe klingelte.
"Das. Wird... meine… Mom sein", stieß Jo hervor und wollte sich von Dean lösen, aber der ließ sie nicht gehen.
"Die kann noch 5 Minuten warten!", antwortete er und unterband ihre widerstrebenden Worte damit, dass er seine Zunge tief in ihren Mund gleiten ließ und verführerisch die ihre umkreiste.
"Nein, Dean Winchester, ich kann keine 5 Minuten warten. Joann Harvelle-Winchester, sieh zu, dass Du die Tür aufmachst!"
Die beiden Verliebten ließen erschrocken voneinander ab, als sie die gedämpfte Stimme von Jo’s Mutter durch die Tür erklingen hörten.
"Die hat Ohren wie ein Luchs!"
"Was meinst Du warum ich nie Jungs in mein Zimmer geschmuggelt hab, sondern stets mit ihnen in deren Autos rumknutschen musste?" Jo zwinkerte Dean verschwörerisch zu und richtete dann ihr Kleid, bevor sie sich aufmachte, die Türe zu öffnen und ihre Mom zu empfangen.

Joann staunte nicht schlecht, als sie ihre Mutter erblickte.
In einem cremefarbenen, edlen Kleid mit aufwendigen Stickereien, weinroten Akzenten und Puffärmeln sah sie aus wie eine reiche Lady aus früheren Zeiten. Zudem hatte sie ihre Haare dunkelbraun gefärbt und prachtvolle lockige Haarteile einarbeiten lassen, was ihr dezentes, doch edles Make-up unterstrich und sie um Haare jünger aussehen ließ.
"Du sieht wundervoll aus."
Dean hatte sich neben Jo gesellt und pfiff ihr anerkennend entgegen. "Mir scheint, als hätt ich mir die falsche Harvelle geangelt", witzelte er, was sofort einen Schlag in seinen Magen, mit dem Ellbogen seiner Frau zur Folge hatte.
"Alte Angewohnheit", entschuldigte er sich mehr schlecht als recht.
"War schon klar", erwiderte Jo mit vernichtendem Seitenblick, der aber sofort verschwand, als die Blonde Bobby sah, der schwer bepackt vom Auto her auf sie zukam.
Jo und Dean brachen gleichzeitig in schallendes Gelächter aus. Nun war es an Bobby ihnen böse Blicke zuzuwerfen.
"Ich will von euch Gören keinen Laut hören, verstanden?" Grummelnd lief er an den beiden vorbei ins Wohnzimmer.
Ellen zwinkerte ihnen zu. "Seid froh, dass ich ihn nicht zu den grünen Strumpfhosen verdonnert habe, die ursprünglich zum Kostüm gehörten - ihr hättet Halloween damit verbracht, euch auf dem Fußboden zu wälzen vor lachen!"
Dann trat auch sie ein.
"Was stellst Du denn dar, Bobby?", fragte Dean frotzelnd, als der ihn wieder vernichtend anschaute.
Man sah ihm förmlich an, dass er sich zusammenriss, um den älteren Winchester nicht an die Gurgel zu springen und ihn herzhaft zu würgen.
Mit zusammengebissenen Zähnen presste er hervor: "Erkennt man das nicht an diesem fürchterlichen grün-braunen Kostüm, mit dem noch lächerlicheren Hut und den dämlichen Plastik Pfeilen?"
Jo bemühte sich ernst zu bleiben. "Willkommen in meiner bescheidene Behausung, Robin von Locksley", und verneigte sich vor ihm, indem sie ihren Kopf demütig senkte und ihr Kleid ausladend ausbreitete, während sie einen Knicks vollführte, der jeder Lady zur Ehre gereicht hätte.
Dean sah nun Ellen erstaunt an. "Dann bist Du…?"
 "Maid Marian!", grinste diese zufrieden und verneigte sich ebenfalls.

Nach einigen Neckereien waren alle Beteiligten wieder etwas zur Ruhe gekommen und hatten es sich entspannt mit einem Glas Punsch auf der Couch bequem gemacht.

Sie hatten sich viel zu erzählen und redeten angeregt miteinander, als Jo plötzlich bemerkte, dass Dean nervös mit etwas in seiner Hand spielte.

"Was ist denn los, Honey?" fragte sie ihn besorgt.

Dean schüttelte die Taschenuhr, die ihm halb aus dem Jackett hing und hielt ihr diese mit vorwurfsvollem Blick hin. "Sie funktioniert nicht mehr!"

Ellen beugte sich nach vorne und betrachtete die Uhr voller Wehmut. "Ist das nicht…?"

"Die Taschenuhr von meinem Dad, ja", antwortete Dean, ohne auf die Vollendung ihrer Frage zu warten, und strich liebevoll darüber. "Sie hat mal meinem Großvater gehört, der sie an meinen Dad vererbt hat und er mir… als..." Dean stockte. Selbst nach der langen Zeit, brachte er es immer noch nicht übers Herz seinen Vater als ‚tot’ zu betiteln und wechselte schnell das Thema. "Ich dachte, sie passt gut zu meinem Anzug - aber sie hat wohl den Geist aufgegeben."

Jo wusste wie viel das Erbstück Dean bedeutete und nahm es ihm liebevoll ab. "Ich bring die morgen zu einem Uhrenmacher. Vielleicht kann er sie reparieren", damit steckte sie sie vorsorglich in ihren Clutch, bevor sie sich wieder ihrem Mann zuwandte.

"Keine Sorge, Sam wird kommen. Er hat es mir versprochen." Dean nickte stumm und griff nach seiner Bierflasche, als es abermals an der Tür läutete.


Jo verschlug es den Atem, als sie den jungen Winchester in der Tür stehen sah.

Der grinste sie frech an. "Wenn ich nicht so einen Respekt vor Deiner Mom hätte, würde ich Dich anbaggern bis Dir schwindlig wird", imitierte er den, den er darstellte und trat dann ein.

Ellen und Bobby fiel die Kinnlade herunter, als sie ihn erblickten und Sam meinte keck. "Wenn ihr das schon umwerfend findet, schaut mal auf dem Bürgersteig…“

Die drei ließen sich nicht zweimal bitten.

Dean verstand zwar nicht, warum die anderen drei so verblüfft waren, aber er folgte ihnen trotzdem.

Draußen angekommen war er derjenige, dem es fast die Sprache verschlug. "Das ist ja mein Baby!"

"Fast. Weißt Du wie schwer es war einen ´67er Chevrolet Impala zu bekommen? In Schwarz? Und ihn dazu noch von England nach Amerika befördern zu dürfen??"

"Du hast aber auch echt an alles gedacht", grinste ihn Jo an.

Sammy nickte. "Hab ich. Schaut euch nur mal den Kofferraum und die Innenausstattung an."

Jo, Ellen, Bobby und Dean waren beeindruckt.

Im Kofferraum des Autos sah es genauso aus wie in Dean´s altem Impala, der vor einigen Jahren hoffnungslos geschrottet worden war.

All die Jägerutensilien, die er und Sam stets dabei gehabt hatten, waren fein säuberlich an ihrem "alten" Platz verstaut. Sam hatte sogar die Sitze mit demselben Stoff beziehen lassen und selbst Dean´s Kassetten, welche Sam von CD auf MC überspielt hatte, lagen im Handschuhfach bereit.

Nachdem Dean den Wagen ausgiebig inspiziert hatte, begab sich das Quintett wieder ins Haus, wo der ältere Winchester so langsam aus seiner Euphorie erwachte und seinen Bruder fest an sich drückte.

"Gut Dich zu sehen, Alter!"

"Geht mir genauso, Dude!", erwiderte Sam und klopfte ihm brüderlich auf die Schulter.

Dann löste er sich von seinem Bruder und sah ihn erwartungsvoll an. "Und? Wie findet Du es?"

"Find ich was? Das Auto?"

Sam verdrehte entnervt die Augen vor Dean´s Ignoranz. "Mein Kostüm!"

"Kostüm? Wo ist es denn", fragte der Ältere und sah sich suchend um.

"Idiot", ertönte Ellens Stimme hinter seinem Rücken und eine klatschende Kopfnuss untermalte ihre Aussage. "Sieh ihn Dir doch mal an."

Sam stand mit beleidigter Miene vor Dean. Er trug ein schwarzes Shirt, Blue-Jeans, dunkelbraune Boots und eine Lederjacke im selben Farbton.

Ebenso hatte er sich ein Schutzamulett um den Hals gehängt und trug an seinem rechten Ringfinger ein Duplikat von Dean´s Titanium Ring. Selbst ein Halbblinder hätte erkannt wen er darstellte, da er nun, mit den kurzen Haaren und den nicht mehr vorhanden Koteletten, mehr Ähnlichkeit mit seinem Bruder hatte, als je zuvor.

Doch Dean zuckte noch immer verständnislos mit den Achseln. "Keine Ahnung."

Sam schnappte sich die Bierflasche, die auf dem Tresen stand, und sah Dean cool an. "Winchester. Dean Winchester. Dämonenjäger!"

"Du bist ich?"

 "Nein", erwiderte Sam entnervt und grinste dann spitzbübisch. "Ich bin nicht so ne Pussy wie Du!" Dann schlenderte er in bester Dean-Manier auf die Couch zu, wo er sich neben Bobby niederließ. 


 


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